Bitte stellen Sie sich kurz vor. Wer sind Sie und was machen Sie?
Mein Name ist Stephan Jäckel und ich bin Head of Business Development & Strategy bei emetriq in Hamburg. Wir sind Initiator des größten Datenpools für die deutsche Werbewirtschaft. Das bedeutet, wir bündeln die Daten der top AGOF-Vermarkter und ermöglichen Werbetreibenden so den Zugang zu Zielgruppensegmenten für datengetriebene Kampagnen. Kurz gesagt: Wir helfen dabei, Online-Werbung relevanter, präziser und transparenter zu machen. Ich bin seit zehn Jahren bei emetriq und bin zum einen für die strategische Ausrichtung des Unternehmens und zum anderen für die Entwicklung neuer Geschäftsfelder zuständig. Schon vorher war ich im Data Driven Advertising zu Hause und habe bei Xplosion, was heute zu emetriq gehört, an der firmeneigenen DSP mitgearbeitet und später auch die Entwicklung neuer Dienstleistungen und Services im Programmatic Advertising vorangetrieben.
Unser Thema ist Big Data in der Finanzwelt. Wo ist aus Kundensicht der Vorteil an Big Data? Mehr Daten heißt ja auch mehr Transparenz. Kann der Kunde von Big Data profitieren?
Absolut, davon bin ich fest überzeugt. Daten können helfen, dem Nutzer relevante Inhalte zu liefern, sodass sie eben keine beliebigen Informationen und Angebote angezeigt bekommen, sondern im Idealfall genau das, was sie gesucht haben – ohne lange suchen zu müssen. Außerdem muss man Big Data auch einmal losgelöst von Werbung und Marketing betrachten. Es geht ja nicht nur darum, den Nutzer zum eigenen Vorteil zu durchleuchten, sondern eben darum, dem Kunden optimale Services rund um ein Produkt oder ein Unternehmen zurückzugeben. Diese Herangehensweise deckt sich auch mit den Kundenerwartungen. Nutzer sind damit einverstanden, wenn ihre Daten eingesammelt werden, so lange dafür die Qualität der Services steigt.
Wer Daten richtig sammelt und analysiert, kann eine hohe Wertschöpfung generieren. Wie sehen Sie den aktuellen Stand in der Finanzbranche? Ist die Branche gut aufgestellt oder besteht dort Nachholbedarf?
Obwohl die Finanzbranche in punkto datengetriebene Wertschöpfung im Branchenvergleich sehr gut dasteht, schöpft sie die Möglichkeiten längst nicht aus. Das bestätigt auch der aktuelle Data Economy Report. Demnach erwirtschaftete der Finanzsektor im vergangenen Jahr rund 10 Prozent der gesamten Data Economy in Deutschland. Das Wachstum in der Branche lag aber lediglich bei 36 Prozent über einen Zeitraum von 6 Jahren. Zum Vergleich: Der Durchschnittswert aller Branchen lag bei 51 Prozent. Insgesamt verläuft der digitale Wandel in der Finanzbranche also eher schleppend. Ich sehe da aber ganz grundsätzlich einen Nachholbedarf im deutschen Digital-Business. Der Begriff Big Data ist auch immer an große Tech-Player wie Facebook oder Google geknüpft. Solche Plattformen gibt es bei uns schlicht nicht. Und gerade weil die gesammelten Daten auch wichtige Indikatoren für Trends und Kundenwünsche sind, geht Deutschland diesbezüglich viel Potenzial durch die Lappen.
Geschuldet ist diese Entwicklung ist mit großer Wahrscheinlichkeit alten Strukturen, die sich nur allmählich aufweichen lassen, und der Tatsache, dass in der Finanzwelt noch zu viele verschiedene Datensilos existieren. Als einen weiteren Grund sehe ich die sehr strengen Reglementierungen, denen die Branche hierzulande unterliegt. Ich denke aber, dass es bei Banken und Finanzdienstleistern noch reichlich Potenzial gibt, das man heben könnte, ohne gegen ebenjene Regeln zu verstoßen. Traditionelle Geldhäuser wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank tun sich mit Umbrüchen häufig schwer. Dass aber innovative und disruptive Geschäftsmodelle sehr wohl gut funktionieren können, zeigen junge FinTechs wie WireCard und N26 oder Weltsparen, die gerade eine Finanzierungsrunde über 100 Millionen Euro abschließen konnten.
Wo kann Big Data helfen in der Finanzbranche die Kundenbeziehung zu stärken?
Insbesondere in der Finanzwelt steht immer das Vertrauen der Kunden in ein Unternehmen oder ein konkretes Produkt im Vordergrund. Wie vorhin schon angedeutet, tragen die Erkenntnisse aus den Daten-Wertschöpfungsketten dazu bei, Informationen und Angebote bestmöglich auf einzelne Kunden oder Kundensegmente anzupassen. Davon profitieren sowohl Serviceangebote wie auch das Kundenerlebnis deutlich. Um es einmal ganz deutlich zu sagen: Big Data ist heutzutage das Mittel für Unternehmen, um sich einen klaren Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Kann Big Data Anlageprodukte besser machen und so mehr Rendite für den Kunden erwirtschaften?
Big Data und Algorithmen, die mit diesen Daten gespeist werden, können etwas leisten, zu dem das menschliche Hirn nie im Stande sein wird: aus Datenwolken ohne jegliche Struktur Muster ableiten und daraus wiederum Schlussfolgerungen ziehen. Solch eine KI ist zu 100 Prozent datengetrieben und völlig emotionslos. Welcher Mensch kann das von sich behaupten? Ein wichtiges Argument für durch Big Data gefütterte, automatisierte Anlageprodukte ist demnach, dass ein emotionales oder irrationales Verhalten ausgeschlossen ist. Ein solches Produkt minimiert Fehlentscheidungen minimiert, die zu einem Renditeverlust hätten führen können. Ja, es ist also möglich, dass die Menschen im Idealfall dank Big Data mehr Geld in der Tasche haben – wenn sie bereit sind, Entscheidungen abzugeben. Allem Vertrauen in automatisierte Produkte zum Trotz zeigt sich, dass die Akzeptanz steigt, wenn dem Kunden gewisse Einflussmöglichkeiten gegeben werden. Beispielsweise könnte seine persönliche Risikoaversion als zusätzlicher Parameter einfließen. So hätte der Mensch nach wie vor das Gefühl, die Maschine zu beherrschen.