Nach langem Zögern hat die Europäische Zentralbank EZB dem Inflationsdruck nun doch nachgeben und die Zinswende eingeleitet. Wie EZB-Chefin Christine Lagarde auf einer Pressekonferenz am Donnerstag mitteilte, wird der Einlagenzins im kommenden Monat erstmals seit fast elf Jahren angehoben, in einem ersten Schritt um 0,25 Prozentpunkte. Darüber hinaus wurde ein weiterer Zinsschritt für September angekündigt. Wie stark dieser ausfällt, wird von den dann vorliegenden mittelfristigen Inflationsaussichten abhängen.
Die hiesigen Börsen reagieren mit Abgaben auf das Vorgehen der Notenbank. Dass die Zinswende eingeleitet wird, dürfte Marktteilnehmer nicht überrascht haben. Schließlich lag die Teuerungsrate im gesamten EU-Raum zuletzt bei 8,1 Prozent. Für Verunsicherung sorgt dagegen die Möglichkeit eines noch größeren Zinsschrittes im September.
Die Fed steht vor einem weiteren Zinsschritt
Für die Wall Street sind die Vorgänge in Europa dagegen kaum relevant. Die Federal Reserve Bank hat bereits im März die Zinswende eingeleitet und den Leitzins nach zwei Sitzungen mittlerweile auf ein Niveau von 0,75 bis 1,00 Prozent angehoben. Erwartet wird, dass der Zinssatz bei der nächsten Sitzung in der kommenden Woche um weitere 0,5 Prozentpunkte angehoben wird.
Noch immer liegt die Teuerungsrate in den USA bei über 8 Prozent. Das bringt die Regierung und Finanzministerin Janet Yellen zunehmend in Erklärungsnot. Yellen teilte mit, dass eine solch hohe Inflation nicht hinnehmbar sei und eine Teuerungsrate von 2 Prozent ein angemessenes Ziel für die Federal Reserve darstelle.
Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist weiterhin hoch
Der jüngste Arbeitsmarktbericht hat offenbart, dass die Nachfrage nach Arbeitskräften weiterhin hoch ist. So stieg die Zahl der Beschäftigten außerhalb der Landwirtschaft im Mai um 390.000 und damit stärker als erwartet. Die Arbeitslosenquote lag den dritten Monat in Folge bei konstanten 3,6 Prozent, wohingegen die Gehälter weiter zulegten. Die Zahlen zeigen weiterhin einen sehr robusten und engen Arbeitsmarkt.
Mit der geldpolitischen Wende will die Fed die Nachfrage auch nach Arbeitskräften reduzieren, um die Inflation zu bekämpfen. Bislang hat das Vorgehen der Währungshüter aber noch nicht zum erhofften Effekt geführt. Zwar sehen einige Unternehmen in Erwartung einer Rezession im kommenden Jahr von Einstellungen ab und ziehen Entlassungen in Erwägungen, das Jobangebot lag Ende April mit 11,4 Millionen aber immer noch auf einem sehr hohen Niveau.
Die Zahl der Neuanträge auf Arbeitslosenhilfe hat in der vergangenen Woche (bis 04.06) zwar etwas stärker zugenommen als erwartet, ist aber immer noch mit einem angespannten Arbeitsmarkt vereinbar. Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit 210.000 Neuanträgen gerechnet, die Zahl stieg indes um 27.000 auf saisonbereinigte 229.000.
Wie hat sich die Inflation entwickelt?
Am Freitag stehen neue Inflationsdaten für den Monat Mai im Fokus. Im April waren die Verbraucherpreise erstmals seit August 2021 zurückgegangen, lagen mit 8,3 Prozent aber immer noch auf einem sehr hohen Niveau. Nun muss sich zeigen, inwieweit der geldpolitische Straffungskurs der Fed die Inflation weiter gedrückt hat.
Dow Jones setzt die jüngste Seitwärtsphase fort
Die Märkte setzen unterdessen die wenig dynamischen Bewegungen der vergangenen Tage fort. Für den Dow Jones geht es am Donnerstag um 0,45 Prozent abwärts. Für die gesamte Woche notiert das wohl berühmteste Börsenbarometer der Welt mit 0,26 Prozent im Minus. In der Woche zuvor hatte der Dow 0,94 Prozent nachgegeben. Nach einer kräftigen Erholung in Kalenderwoche 21 ist die Bewegung zuletzt knapp unterhalb der 50-Tage-Linie (EMA50) zum Erliegen gekommen.
Bricht der Dow nach oben aus?
Die Kursbewegungen der vergangenen Tage könnten allerdings auf einen bullischen Wimpel hindeuten, der einen Ausbruch zur Oberseite impliziert. Zumal das Handelsvolumen zuletzt deutlich zurückgegangen ist. Ein nachlassendes Volumen in Kombination mit einer geringen Schwankungsbreite sind oftmals gute Indikatoren für einen bevorstehenden Ausbruch. Da sich das Kursmuster an eine Aufwärtsbewegung anschließt, ist ein bullischer Ausbruch die wahrscheinlichere Variante.
Das Marktumfeld bleibt volatil
Das volatile Marktumfeld darf aber nicht außer Acht gelassen werden. Sollten die Inflationsdaten überraschend hoch ausfallen und somit neue Zinsängste losgetreten werden, könnten die Märkte auch wieder in eine Verkaufswelle geraten.
Knapp oberhalb der 50-Tage-Linie (EMA50) wartet mit dem Abwärtstrend von Anfang Januar gleich ein weiterer Widerstand, den es zu überwinden gilt. Darüber wäre der Weg frei für einen Anstieg in Richtung der 34.000-Punkte-Marke und der dort verlaufenden 200-Tage-Linie (EMA200).
Home Depot-Aktie steigt um mehr als 3 Prozent
Mit Abstand bester Performer im Dow Jones ist am Donnerstag die Aktie der Baumarktkette Home Depot, die in der Spitze um mehr als 3 Prozent steigen und einen weiteren Versuch starten zurück über die 50-Tage-Linie (EMA50) zu klettern. Der Tageschart macht jedoch die Schwere dieses Vorhabens deutlich. Seitdem die Aktie Anfang Januar unter den gleitenden Durchschnitt gefallen ist, konnte dieser nicht mehr zurückerobert werden. Seit Jahresbeginn notiert das Papier mit mehr als 26 Prozent im Minus.
- EZB leitet Zinswende ein und kündigt zwei Zinserhöhungen an
- In den USA stehen am Freitag die aktuellen Inflationsdaten im Fokus
- Neueinstellungen und Neuanträge auf Arbeitslosenhilfe offenbaren weiterhin einen angespannten und engen Arbeitsmarkt
- Märkte setzten Seitwärtsbewegung der letzten Tage fort
- Dow Jones verläuft knapp unterhalb der 50-Tage-Linie (EMA50)
- Kursmuster könnte ein bullischer Wimpel sein – Enge Schwankungsbreite und nachlassendes Handelsvolumen deuten auf baldigen Ausbruch hin
- Home Depot-Aktie bester Performer in einem zurückhaltenden Handel
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