Mario Draghi verlässt die Bühne. Was seine Amtszeit prägt ist nicht nur, dass er der erste Notenbank Präsident ist, unter dem es keine Zinserhöhung gab, sondern auch, dass er derjenige ist unter dem es zum ersten Mal in der Geschichte überhaupt negative Nominal-Zinsen gab. Unter negative Realzinsen mussten Sparer schon in den 70ger Jahren leiden, weil die hohe Inflation ihnen den vermeintlich guten Nominalzins auffraß. Aber negative Nominalzinsen, das hatte es bis her noch nie gegeben.
Anfangs hielten viele Marktbeobachter die negativen Zinsen noch für ein vorübergehendes kurzfristiges Phänomen, nun aber greift immer mehr die Erkenntnis um sich, das Draghi die Notenbank in eine Zinsfalle geführt hat, aus der sie vielleicht nie mehr, ohne eine Krise zu verursachen herauskommt. Denn auch nur der Gedanke an eine Zinserhöhung würde die Überhitzenden Bondmärkte in einen gewaltigen Crash führen. Der Bund Future notierte diesen Sommer bei fast 180 Punkten, was einen negativen Zins von fast -0,8 % entspricht, also einem Zinssatz weit unter dem Leitzins der EZB, der bei 0,5% liegt und das obwohl der Bundfuture sich auf Anleihen mit längeren Laufzeiten von 8,5-10 Jahren bezieht und langlaufende Anleihen eher über dem kurzfristigen Zins, den die EZB am besten mit ihrem Leitzinsbeeinflussen kann liegen.
Der Bond Markt über alle Laufzeiten hinweg kannte zum Ende der Amtszeit Draghi diesen Sommer fast nur eine Richtung und man fragt sich schon, wer kauft da noch, wenn faktisch dem Schuldner eine Prämie bezahlt wird, dass er überhaupt das Geld des Gläubigers annimmt. So begibt die Bundesregierung 10-jährige Anleihe mit einem Zinscoupon von 0%, die meist im Tenderverfahren einer Art Auktion emittiert werden und aufgrund des Emissionspreises effektiv einen negativen Zinssatz haben
Welches Motiv treibt Anleger dazu Anleihen mit negativen Renditen zu kaufen? Generell gelten Bonds als ein sicheres Risikoarmes Wertaufbewahrungsmittel. Aber bei einem negativen Zins verlieren sie diese Funktion, den Inflation und negativer Zins nagen gleichzeitig an diesem Investment. Bei einem negativen Zinssatz von 2% verliefen in 10 Jahren Anleger die 100 Euro investiert haben rund 18% und ihnen verbleiben 82,03 Euro.
Somit ist es sehr wahrscheinlich, dass es fast ausschließlich Spekulanten sind, die hinter dieser Bondrally stehen. Sie kaufen nur aus einem Grund: Sie hoffen, dass jemand nach ihnen einen noch höheren Preis für den Bond zahlt.
Für mich als Trader stellen sich damit zwei Fragen. Wie lange kann das noch so weiter gehen und kann der Bondmarkt auch ohne Zutun der Notenbank plötzlich wieder fallen. Ich rede hier nicht von einer technischen Korrektur, so wie sie derzeit gerade an den Märkten zu beobachten ist, sondern von deutlich steigenden Zinsen, also einer Trendumkehr.
Die Frage, die sich mir stellt, ist ob die Bondmärkte auch ohne politisches Zutun der EZB fallen können, also die Zinsen wieder steigen werden auch wenn es die EZB gar nicht will. Es geht darum, wieviel Macht hat die Notenbank eigentlich wirklich.?
Viele Marktteilnehmer glauben an die Allmächtigkeit der Notenbanken und dass sie diejenigen sind, die dauerhaft die Zinsen bestimmen. Unter dieser Voraussetzung sind weitere fallende Zinsen und steigende Bondpreise eine fast sichere Wette, den politisch ist es der Notenbank tatsächlich kaum möglich eine Kehrtwende bei den Zinsen herbeizuführen.
Die amerikanische Fed ist letztes Jahr bei dem Versuch massiv gescheitert. Erst brach der Aktienmarkt ein, dann drohte die US Wirtschaft in eine Rezession abzugleiten und so sah sich Jerome Powell gezwungen, die Zinsen wieder zu senken., auch unter dem Druck des US Präsidenten Donald Trump.
Die EZB hat erst gar nicht versucht, eine Korrektur ihrer Zinspolitik einzuleiten und hängt verzweifelt an ihrem Inflationsziel von 2%, das sie seit Jahren nicht erreicht. Warum die EZB 2% Inflation anstrebt habe ich in einem extra Video auf YouTube erklärt.
Dennoch zweifele ich an dieser fast sicheren Wette auf weiterhin niedrigen Zinsen. Am besten lassen sich meine Zweifel verdeutlichen mit einer Geschichte, die sich Ende September am amerikanischen Geldmarkt ereignete.
Trotz eines Leitzinses von 2% und einer anstehenden Zinssenkung der FED (amerikanischen Notenbank), sprang plötzlich der kurzfristige Zins von 2% auf nahezu 10% innerhalb von wenigen Stunden. Der Anstieg war so massiv, dass die US Notenbank sich zum Eingreifen gezwungen sah und mit täglichen Geldspritzen in Höhe von 75 MRD US Dollar den Markt beruhigte. Doch wie konnte so ein plötzlicher Zinsanstieg passieren?
Auch wenn es für viele Beobachter bereits in Vergessenheit geraten ist, sind die Bond und Anleihemärkte wie auch der Geldmarkt, Märkte, die trotz manipulativen Eingriffen von Notenbanken dem Grundsatz von Angebot und Nachfrage folgen. Solange das Geldangebot höher ist als die Geldnachfrage, werden wir sinkende Zinsen erleben. Sollte aber das Angebot sinken, die Nachfrage hoch sein, dann wird auch er Preis des Geldes steigen, der nichts anderes als der Zinssatz ist.
Zinsen sind der Preis des Geldes. Wer das verstanden hat, dem wird auch klar, warum wir seit nunmehr fast 40 Jahren im Trend sinkende Zinsen sehen. Denn das Angebot an Geld wuchs Jahr für Jahr, nicht nur durch die Notenbank Politik, sondern vor allem auch durch die Kreditvergabe der Geschäftsbanken.
Wenn ich behaupte, dass die Zinsen deshalb so niedrig sind, weil zu viel Geld im Umlauf ist, können sich das viele Leser nicht vorstellen. Wenn ich aber behaupte es gibt zu viele Schulden, dann stößt man auf deutliche Zustimmung. Wer versteht, das Geld = Kredit und Kredit=Schulden ist, der muss erkennen, dass „zu“ viele Schulden eben auch „zu“ viel Geld bedeutet und somit wir vor allem deshalb sinkende Zinsen hatten, weil das Angebot an Geld stärker gestiegen ist, als die Nachfrage.
Fragen wir uns also, wer neben der Zentralbank noch verantwortlich für das Geldangebot ist. Es sind vor allem die Geschäftsbanken. Sogar in einem viel größeren Maße als die Zentralbank. Die Geschäftsbanken schaffen durch ihre Kreditvergabe Geld. Je mehr Kredite sie vergeben, desto mehr Geld wird geschaffen. Je mehr Geld geschaffen wird -bei gleicher Nachfrage- desto mehr muss der Zins, der nichts anderes ist als der Preis des Geldes sinken.
Ein steigender Zins, eine Umkehr des bisherigen Zinstrends wäre denkbar, wenn das Geldangebot deutlich sinken würde, oder die Nachfrage nach Geld deutlich steigen würde.
Was könnten die Gründe sein, dass das Geldangebot – das Angebot an Krediten – plötzlich zurückgeht. Die wohl einfachste Erklärung wäre, dass Banken ihre Kreditvergabe reduzieren. Das kann passieren, wenn sie befürchten müssen, dass die Schuldner ihre Kredite nicht bedienen können.
Das letzte Mal, das so etwas passierte, war 2008/2009 während der großen Immobilien Finanzkrise in den USA. Nur das massive manipulative Eingreifen der Notenbank konnte damals einen Supergau verhindern. Ein Eingreifen wie vor 10 Jahren wäre heute aber weitaus schwieriger, weil die Leitzinsen bereits gen Null gesenkt wurden und die Bilanzen der Zentralbanken weltweit aufgebläht sind. Teilweise halten die Notenbanken fast 1/3 der ausgebenden öffentlichen Anleihen (siehe Bilanz Bundesbank). Viel Spielraum für Geldpolitische Maßnahmen, wie damals während der Finanzkrise gibt es also nicht. Die Möglichkeit bei Negativ Zinsen den Bondmarkt weiter in Richtung sinkende Zinsen zu manipulieren ist für Notenbanken also heutzutage weitaus schwieriger als vor einigen Jahren.
Ein weiteres und viel größeres Problem ist, das das Geschäftsmodell der Geschäftsbanken durch den Negativzins bereits erodiert ist. Banker sind Kaufleute, sie wollen mit ihren Krediten etwas verdienen. Wenn aber aufgrund der niedrigen Zinsen, auch die Zinsmarge soweit sinkt, dass die Kreditvergabe nicht mehr profitabel ist, dann wird auch das Kreditangebot reduziert oder eingestellt. Dieser Effekt tritt erst im Laufe der Zeit ein, weil Banken aufgrund von alten Kreditverträgen die noch hohe Margen hatten, in den Letzen Jahren immer noch Geld verdienen konnten. Je mehr alte Kreditverträge durch neue mit niedrigen Margen ersetzt werden, desto mehr erodiert das Geschäftsmodell der Banken, bis zu dem Punkt wo einige Geschäftsbanken nicht mehr profitabel sind und entweder insolvent gehen und somit als Anbieter herausfallen oder aber die Kreditvergabe reduzieren.
Die Ökonomen Markus Brunnermeier und Yann Koby. beschreiben diesen Prozess des sogenannten Umkehrzinses in ihrer in der Fachwelt häufig zitierten Arbeit. Der Umkehrzins auch „Reversal“ Zins ist der Zinssatz, bei automatisch die Zinsen wieder steigen werden, weil die Banken das Kreditangebot reduzieren, was bei gleicher Nachfrage zu steigenden Preisen bzw. Zinsen führen muss. Somit sind die Zeiten negativer Zinsen automatisch durch Marktmechanismen begrenzt.
Ob allerding der Zins dann langsam wieder steigt, wie es das Konzept vorsieht, oder ob es zu starken Marktverwerfen kommt ist Spekulation. Betrachten wir aber noch einmal die Episode am amerikanischen Geldmarkt Ende September als die Zinsen blitzschnell auf 10 %dann könnte dies durchaus ein Vorgeschmack gewesen sein.
Die Kettenreaktion, die aus solch einem Szenario entstehen würde, wären hohe Verlust von Marktteilnehmern in Bond Portfolios, die bei steigenden Zinsen auch zu fallenden Kursen an den Aktienmärkten führen würden.
Die Arbeit eines Traders ist nicht blind auf so ein Szenario sein Vermögen zu setzten, sondern den Markt genau dahingehend zu beobachten, ob es Indizien für dieses Szenario gibt und vorbereitet zu sein, wenn „der Sturm“ losbricht. Gutes Trading heißt in Szenarien denken und sich vorzubereiten, nicht eindimensional zu denken. Mein Leitspruch ist „Du musst zu 80% denken wie die Masse und in 20% der Fälle genau das Gegenteil“. Mit meinem Blog auf Finanztrends und meinem Youtube Channel wollen wir genau so verfahren. Wir suchen nach Indizien besprechen diese, bereiten Szenarien vor, damit wir vorbereitet sind, wenn es am Markt große Veränderungen gibt.
Ein angenehme Tradingwoche und gute Trades wünscht Euch Birger Schäfermeier