Als Reaktion auf die jüngst beschlossene Zinswende im Euroraum ging der DAX bereits am Donnerstag baden. Tags darauf war erstmal keine Erholung in Sicht. Stattdessen ging es nahtlos mit der Verlustserie weiter. Kurs nach Handelsbeginn am Freitag verlor der deutsche Leitindex um 0,8 Prozent und fiel bis auf 14.088 Punkte zurück.
Damit haben die Bären sowohl die harte Unterstützung bei 14.600 Punkten als auch den etwas weniger nachhaltigen Support bei 14.200 Punkten unterschritten. Das sorgt für klare Verkaufssignale und kurz vor dem Wochenende dürfte nun noch die psychologisch wichtige Linie bei 14.000 Punkten auf die Probe gestellt werden. Die Bullen haben dabei mit ordentlich Gegenwind zu kämpfen.
Für den DAX läuft alles schief
Nicht nur die Aussicht auf steigende Zinsen belastet den DAX nachhaltig. Auch steigende Anleiherenditen sorgen dafür, dass Aktien immer weniger gefragt sind. An eine kurzfristige Erholung ist da wohl erst einmal nicht zu denken. Stattdessen stellt sich für die Börsianer derzeit vor allem die Frage, wie tief es mit dem DAX noch gehen kann.
Unterhalb von 14.000 Punkten gibt es lediglich noch bei 13.750 und 13.400 Punkten nennenswerte Unterstützungen zu finden. Die bewahren den DAX noch davor, auf das 52-Wochen-Tief bei 12.438 Punkten zurückzufallen. Sollte die miese Stimmung der letzten Tage sich aber nicht alsbald bessern, könnten recht schnell neue Untiefen im Kurskeller erreicht werden.
Weiteres Futter liefern den Bären Befürchtungen darüber, dass die Wirtschaft in Deutschland und anderswo auf dem besten Wege in eine Rezession sein könnte. Durch die Zinserhöhungen im Sommer werden derartige Sorgen immer größer. Auch wenn es bisher nur Spekulationen sein mögen, so ist die Belastung für den DAX spürbar.
Der Tropfen auf dem heißen Stein
Bei einem Blick auf die Einzeltitel gab es am Freitagmorgen wieder einmal nur wenige Gewinner zu sehen. Zumindest etwas erholen konnten sich vor allem solche Titel, die tags zuvor noch schwer unter Druck geraten waren. Die Kursgewinne fielen aber derart überschaubar aus, dass sie im Großen und Ganzen nicht weiter ins Gewicht fallen.
Vermehrt unter Druck gerieten hingegen Aktien, die sich zuletzt noch gegen den Abwärtstrend an den Börsen stemmen konnten. So mussten etwa sie Rückversicherer Verluste hinnehmen. Außerdem findet sich der Vermietet Vonovia mal wieder am Ende des DAX wieder, nachdem Spekulationen um ein mögliches Platzen einer Immobilienblase mit der nun beschlossenen Zinswende wieder neu aufgeflammt sind. Unter dem Strich lässt sich sagen, dass der DAX insgesamt derzeit in einer klaren Abwärtsbewegung steckt.
Aktie | Kurs (EUR) (10.6.22, 9 Uhr) | Differenz zum Vortag |
Hellofresh | 34,12 | +1,31 % |
Delivery Hero | 39,21 | +1,08 % |
Zalando | 31,67 | +0,25 % |
Brenntag | 69,28 | -1,98 % |
Vonovia | 33,17 | -2,10 % |
HeidelbergCement | 52,76 | -2,12 % |
Der DAX ist ein Fest für Spekulanten
So schmerzhaft die jüngsten Verluste sein mögen, sie eröffnen Anlegern auch neue Chancen. Schließlich waren in der Vergangenheit Zeiten des Absturzes stets der beste Moment, um bei Titeln aus dem Leitindex zuzuschlagen. Auch jetzt gibt es Aussichten darauf, dass die meisten Aktien aus dem DAX sich langfristig wieder erholen werden. Dafür sprechen etwa diese Faktoren:
- Panikverkäufe sind selten besonders nachhaltig
- Fundamentale Überlegungen finden kaum noch Beachtung
- Langfristig spricht die Charttechnik weitern für eine Aufwärtsbewegung
- Bisher hat der DAX noch jede Krise weggesteckt
Speziell mit Blick auf die steigenden Leitzinsen ist Panik momentan kaum angebracht. Natürlich sorgen die erst einmal dafür, dass Aktien weniger interessant werden. Sie werden dadurch aber nicht plötzlich ins Bodenlose fallen. Gerechnet wird aktuell damit, dass der Leitzins in Europa bis Jahresende bei 1,5 Prozent liegen wird. Zum Vergleich: vor der Finanzkrise im Jahr 2008 lag der Zins noch bei 4,25 Prozent und an den Börsen war trotzdem kontinuierliches Wachstum zu beobachten.
Natürlich gibt es dennoch keine Garantien für eine wie auch immer geartete Erholung in der Zukunft und gerade kurzfristig könnte es noch zu weiteren Korrekturbewegungen und damit potenziell noch günstigeren Einstiegspreisen im DAX kommen. Doch nüchtern betrachtet gibt es keinerlei Anlass, um jetzt schon das Handtuch zu werfen.
Kommt jetzt mehr Ruhe in den DAX?
Stattdessen lässt sich sogar darüber spekulieren, ob es nicht wieder zu mehr Ruhe im DAX kommt, nachdem die Börsianer den Schock vom Donnerstag etwas verdaut haben. Die Mitteilungen der EZB mögen nicht jedem geschmeckt haben. Wenigstens gibt es nun aber Gewissheit über den weiteren Kurs der Währungshüter, sodass die endlosen Spekulationen darüber grundsätzlich ein Ende finden können. Sobald die Anleger sich auf die neue Situation eingestellt haben, steht neuerlichen Kursgewinnen im DAX an und für sich wenig im Weg.
Das gilt gerade mit Blick darauf, dass nicht wenige Unternehmen noch immer Wachstum vermelden können. Auch wenn die Wirtschaft vor zahlreichen Herausforderungen steht und sich wohl nicht mehr ganz so stark entwickeln wird wie noch im vorherigen Jahr, so ist eine Rezession, welche von vielen befürchtet wird, noch längst keine ausgemachte Sache. Es bleibt beim DAX daher in jedem Fall spannend und ohnehin ist damit zu rechnen, dass es im weiteren Jahresverlauf noch die eine oder andere Überraschung zu sehen geben wird. Vielleicht ist ja nicht jede davon negativer Natur.
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