Liebe Leserinnen und Leser,
fast wie aus dem Nichts sind Anfang September die Cannabis-Aktien nach oben geschossen. Beispiel: Canopy Growth. Im Chart sehen Sie den beachtlichen Euphorieschub rund um den kanadischen Marihuana-Titel:
Zwischen Ende August und dem 13. September legte die Canopy Growth-Aktie um satte 230 Prozent auf 1,3 Euro zu. Aber auch andere Branchenvertreter flogen nach oben – etwa Aurora Cannabis und Tilray. Das Wachstum mag sicherlich enorm erscheinen, allerdings nur im Vergleich zu den zuvor sehr niedrigen Werten. Wenn Sie im Chart weiter in die Vergangenheit scrollen, merken Sie schnell, dass die Canopy Growth-Aktie schon wesentlich mehr wert war – teils rund 45 Euro. Die neuste Aufwärtsbewegung ist verglichen damit also eher ein Tropfen auf den heißen Stein.
Marihuana in den USA: Lockerung auf Bundesebene?
Trotzdem ist der jüngste Schub nicht unbegründet. Denn wieder einmal gibt es Hoffnung im regulatorischen Umfeld, dessen Volatilität die Cannabis-Aktien in den letzten Jahren in Schach hielt. Im Mittelpunkt stehen diesmal die USA. Ende August hatte es Medienberichte gegeben, wonach die Risikobewertung von Marihuana, also der berauschenden Blüte der weiblichen Hanfplatze, abgesenkt werden könnte.
Demnach hat das US-Gesundheitsministerium der auf Drogenfahndung spezialisierten Bundesbehörde DEA (Drug Enforcement Agency) empfohlen, Marihuana von „Schedule 1“ auf „Schedule 3“ herabzustufen. Hintergrund: Marihuana wird auf US-Bundesebene derzeit in der höchsten Risikostufe (Schedule 1) eingeordnet. Dem Rauschmittel wird dadurch hohes Missbrauchspotenzial und kein medizinischer Nutzung zugesprochen – ähnlich wie anderen Schedule-1-Drogen wie Heroin, LSD, Mescalin oder Ecstasy.
Nach Ansinnen des Gesundheitsministeriums sollte Marihuana jedoch nicht in einer Reihe mit diesen harten Drogen stehen. Würde die DEA tatsächlich eine Abstufung auf Schedule 3 in die Wege leiten, würden Marihuana medizinisches Potenzial und gleichzeitig eine geringeres Suchtwirkung zugeschrieben. Zu den Schedule-3-Stoffen zählen beispielsweise Ketamin, anabole Steroide und Benzphetamin.
Warum die Risikoabsenkung so wichtig wäre
Wichtig im Falle der USA ist eine Unterscheidung: Während knapp 40 US-Bundesstaaten den Konsum von Marihuana in irgendeiner Form bereits legalisiert haben, ist die Droge auf Bundesebene wie erwähnt strikt illegal. Sollte das Risikolevel auf Bundesebene nun gelockert werden, könnte das für die Cannabisfirmen Vorteile haben, vor allem mit Blick auf die Finanzierung.
Derzeit müssen Banken auf Bundesebene mit Strafen rechnen, wenn sie den Cannabisunternehmen Kredite gewähren. Dadurch fällt es den Firmen enorm schwer, sich frisches Geld für Wachstumsprojekte zu sichern. Das ist sogleich ein maßgeblicher Grund, warum die betroffenen Unternehmen in den letzten Jahren in den USA in die Bredouille gerieten.
Deshalb forcieren einige Politiker einen Gesetzentwurf, der auf den Namen SAFE (Secure and Fair Enforcement Banking Act) hört. Dieser soll den Zugang von Cannabisfirmen zum US-Bankensektor signifikant erleichtern. SAFE hat es bislang allerdings nicht nur den Kongress geschafft. Während das Repräsentantenhaus dem Entwurf zwar mehrfach zustimmte, hielt sich der Senat bis dato zurück. Sollte die DEA nun die Risikoeinstufung von Marihuana absenken, könnte das den politischen Prozess zugunsten von SAFE beeinflussen – so zumindest die Hoffnung, die derzeit an der Börse kursiert.
Rückendeckung vom Präsidenten
Aber das wäre noch nicht alles: „Wenn Cannabis am Ende dieses Prozesses letztendlich in Schedule III oder niedriger aufgenommen wird, wird dies auch die überwältigende Steuerlast lindern, mit der legale Cannabisunternehmen derzeit konfrontiert sind“, erklärte Saphira Galoob vom Branchenbündnis „National Cannabis Roundtable“.
„Seit einem halben Jahrhundert wird Cannabis unangemessen klassifiziert, ohne wirkliche wissenschaftliche Grundlage, zum Nachteil der Patienten und derjenigen, die im Rahmen des fehlgeleiteten Drogenkriegs verfolgt werden“, ergänzte Galoob.
Nun muss die DEA entscheiden. Man werde die Überprüfung einleiten, so ein Sprecher der Behörde Ende August. Unterstützung bekommt die Branche derweil von US-Präsident Joe Biden, auf dessen Anraten das Gesundheitsministerium die Empfehlung an die DEA aussprach. „Die Bundesregierung stuft Marihuana derzeit als Substanz der Liste I ein genauso wie Heroin und LSD. Das macht keinen Sinn“, hatte Biden konstatiert.
Cannabis-Aktien: mein Fazit für Sie
Ohne Frage: Eine Abstufung durch die DEA würde der Cannabisbranche in einem der weltweit aussichtsreichsten Märkte helfen. Wie genau die Vorteile im Endeffekt ausfallen würden, bliebe jedoch erst einmal abzuwarten. Noch immer polarisiert das Thema Cannabis bzw. Marihuana in den USA massiv. In der Folge könnten Kritiker versuchen, juristisch gegen eine Lockerung vorzugehen.
Die Aktionäre von Canopy Growth, Aurora Cannabis und Tilray dürfen jetzt aber allemal hoffen. Beachten Sie trotzdem, dass die Aktien auf absehbare Zeit hoch volatil bleiben. Das regulatorische Umfeld kann sich jederzeit drehen, und das nicht nur zum Positiven. In Deutschland etwa wurde die eigentlich forcierte Freigabe nun durch eine bürokratisch sehr umständliche Teillegalisierung ersetzt, die obendrein von der EU genaustens begutachtet wird.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihren Investments,
Marco Schnepf
Redaktion Finanztrends
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