Liebe Leser,
US-Präsident Joe Biden ist immer wieder gut für Paukenschläge, die auch an der Börse ihre Wirkung entfalten. Neustes Beispiel: Cannabis. Vor wenigen Tagen hat das Weiße Haus mitgeteilt, dass man auf Bundesebene eine Begnadigung für Menschen forciere, die wegen des Besitzes von Marihuana verurteilt wurden. Betroffen sind demnach nur jene Personen, deren Delikte ausschließlich mit dieser Droge in Zusammenhang stehen.
Niemand sollte nur wegen der Nutzung oder des Besitzes von Marihuana im Gefängnis sein, ließ Biden inzwischen auf Twitter verlautbaren. Später legte der Präsident noch einmal nach und betonte, dass eine Vorstrafe wegen Marihuana-Besitzes vielen Menschen den Zugang zu einer Wohnung, einem Job oder zur Bildung erschwert habe. Besonders betroffen davon seien Afroamerikaner und andere Minderheiten.
Aktien von Tilray und Aurora reagierten zunächst positiv
An der Börse sorgten die Aussagen von Biden für Aufsehen. So schossen die Aktien der Cannabisfirmen Tilray Brands und Aurora Cannabis am Freitagvormittag zunächst deutlich nach oben. Bei Aurora reichte es gar fast für ein prozentual zweistelliges Plus.
Die Aktien der beiden Firmen reagieren traditionell sehr stark auf Aussagen politischer Akteure – sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht. Denn: Cannabis ist zum Beispiel in einigen US-Bundesstaaten zwar bereits frei verkäuflich. Die Perspektive der Aktien hängt aber daran, dass weitere umfängliche Lockerungen in diesem Bereich auf den Weg gebracht werden.
Bidens Amnestie-Versprechen eher eine Luftnummer – Aktien fallen wieder
Dabei ist Bidens Begnadigungsstrategie auf den zweiten Blick gar nicht so umfangreich, wie man zunächst meinen würde. Als US-Präsident ist der Politiker nämlich dem Föderalismus unterworfen. Das heißt: Die von Biden forcierten Begnadigungen beziehen sich nur auf jene Personen, die auf Bundesebene verurteilt wurden. Und das waren in den letzten 30 Jahren nur wenige Tausend Fälle.
Den meisten Verurteilungen gingen Verfahren auf der Ebene der Einzelstaaten voraus. Bidens Erlass wird für diese große Mehrheit also nicht gelten. Dem Präsidenten bleibt also nichts anderes übrig, als an die Bundesstaaten zu appellieren, ebenfalls Amnestien zu gewähren. Gerade in konservativeren Regionen der USA dürfte der Appell laut Experten aber verhallen.
Inwieweit Bidens Ankündigung also den Marihuana-Markt in den USA tatsächlich beflügeln wird, steht in den Sternen. Das dürfte ein Grund dafür gewesen sein, warum die Papiere von Aurora und Tilray ihre Gewinne am Freitagmorgen schon am Mittag bzw. Nachmittag wieder abgeben mussten.
Tilray und Aurora hoffen auf Deutschland
Immerhin: Die USA sind natürlich nicht das einzige Land, auf dem derzeit die Hoffnung der Cannabisfirmen liegt. Gerade in Deutschland zeichnet sich ein lukrativer Paradigmenwechsel ab. Die aktuelle Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag nämlich vereinbart, dass man die „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken“ erlauben werde.
Das heißt: Neben medizinischem Cannabis, das in Deutschland bereits seit 2017 verschrieben werden darf, soll der Konsum nun auch für Freizeitkiffer legal werden. Wann genau die Legalisierung erfolgen wird, ist bis dato aber noch nicht vollends klar. Zuletzt hatte man das Jahr 2024 ins Gespräch gebracht.
Sowohl für Tilray als auch für Aurora ergibt sich dadurch enormes Potenzial. Denn: Der Markt wird sich schier astronomisch vergrößern. Laut Experten werden in Deutschland jedes Jahr Hunderte Tonnen an Cannabis im Schwarzmarkt verkauft. Und die Firmen können diese Kunden nach der Legalisierung mit ihrem eigenen Stoff bedienen.
Nur drei Firmen dürfen hierzulande Cannabis offiziell anbauen
Das kanadische Unternehmen Aurora hatte vor einigen Jahren mit dem Bau einer großen Produktionsstädten in Leuna (Sachsen-Anhalt) begonnen. Im Mai 2024 hat die Firma dort nun ihre ersten Chargen hergestellt und im Juni ausgeliefert.
Aurora kooperiert dabei sehr eng mit der deutschen Cannabisagentur, einer staatlichen Institution, die als Abnehmer des Materials fungiert. Zunächst soll das in Leuna hergestellte Cannabis medizinischen Zwecken dienen. Später dürfte der Stoff auch dem breiten Markt zur Verfügung stehen.
Ähnlich sieht es bei Tilray aus. Der US-Konzern betreibt in Schleswig-Holstein eine Produktionsstätte, ebenfalls in enger Kooperation mit dem Staat. Aurora und Tilray sind damit zwei der drei einzigen Unternehmen, die in Deutschland offiziell Cannabis anbauen dürfen. Die dritte Firma hört auf den Namen Demecan und ist ein deutsches Start-up, das allerdings nicht an der Börse notiert ist.
Tilray und Aurora hoch defizitär
Die Hoffnung ist also groß. Beim Blick auf die harten Fakten zeigt sich jedoch ein etwas anderes Bild. Beide Firmen sind hoch defizitär. So belief sich der Nettoverlust von Tilray 2020 auf 63 Millionen US-Dollar. 2021 lag er gar bei 336 Millionen US-Dollar. Aurora musste 2020 einen Fehlbetrag von stattlichen 2,41 Milliarden Dollar hinnehmen. 2021 waren es immer noch 508 Millionen US-Dollar.
Gleichzeitig sind die Jahresumsätze vor allem bei Aurora noch weit von der 1-Milliarde-Dollar-Marke entfernt. Klar: Die Firmen müssen viel Geld investieren, um ihre Herstellungskapazitäten auszubauen, aber auch um die Forschung rund um neue Cannabis-Endprodukte (z.B. CBD-haltige Getränke) voranzubringen.
Als Anleger sollten Sie sich also immer bewusst sein, dass die Aktien eine umfangreiche Wette auf die Zukunft sind. Es dürfte noch viele Jahre dauern, bis die Firmen profitabel werden. Das hält die Aktien aktuell in Schach. Hinzu kommen die extreme Volatilität und Nervosität am Cannabis-Markt, die die Kurse regelmäßig hoch- und runterschießen lassen. Als Beispiel sehen Sie im Folgenden den Aktien-Chart von Aurora Cannabis:
Nur was für starke Nerven
Wollen Sie in die Papiere investieren, sollten Sie also nicht nur an das Potenzial von Cannabis als medizinisches Produkt und Droge glauben, sondern vor allem starke Nerven und viel Geduld mitbringen.
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