Grüner Wasserstoff ist besonders an der Börse in aller Munde und gilt als der „Champagner der Energiewende“. Doch die vollkommen schadstofffreie Erzeugung des Kraftstoff gilt (noch) als zu teuer. Als elegante Zwischenlösung wird daher immer wieder blauer Wasserstoff ins Gespräch gebracht.
Blauer Wasserstoff – Definition im Überblick
Blauer Wasserstoff ist eine Art von Wasserstoff, der durch das sogenannte Steam Methane Reforming (SMR) hergestellt wird. Bei diesem Prozess wird Methan, meistens in Form von Erdgas, zu Wasserstoff und Kohlendioxid (CO2) umgewandelt. Dies geschieht mithilfe von Wasserdampf unter hohem Druck und Temperaturen um 800-900°C.
Der entscheidende Unterschied zu grauem Wasserstoff: Das bei der Produktion entstehende CO2 wird abgeschieden und gespeichert. Diese Methode ist auch als Carbon Capture and Storage (CCS) bekannt und soll die CO2-Emissionen minimieren.
Abseits von blauem und grünen Wasserstoff gibt es den Energieträger noch in allen nur erdenklichen Farben wie z.B. roter, oranger oder türkiser Wasserstoff. In der Wirklichkeit handelt es sich bei Wasserstoff allerdings um ein farbloses Gas. Warum dann die „bunten“ Bezeichnungen? Sie dienen lediglich als Einordnung der Herstellungsmethode. Häufig zur Verwendung kommt heute noch grauer Wasserstoff, der ähnlich wie blauer Wasserstoff aus Erdgas hergestellt wird, allerdings ohne klimaschädliches CO2 aufzufangen.
Wie die Herstellung von blauem Wasserstoff funktioniert
Die Herstellung von blauem Wasserstoff erfolgt in mehreren Schritten:
- Steam Methane Reforming (SMR): Methan reagiert mit Wasserdampf zu Wasserstoff und CO2.
- CO2-Abscheidung: Das entstehende CO2 wird durch verschiedene Technologien abgeschieden.
- Carbon Capture and Storage (CCS): Das abgeschiedene CO2 wird in geologischen Formationen dauerhaft gespeichert.
Der Einsatz von CCS ist dabei entscheidend, um die Umweltauswirkungen der Wasserstoffproduktion zu minimieren. CCS-Technologien sind jedoch umstritten, da sie zusätzliche Kosten verursachen und die langfristige Sicherheit der CO2-Speicherung nicht vollständig geklärt ist. Erst kürzlich monierte die Deutsche Umwelthilfe (DUH), dass die Bundesregierung bei ihren Importplänen zu sehr auf blauen und zu wenig auf grünen Wasserstoff setze.
Im Vergleich zu grünem Wasserstoff, dessen Herstellung durch Elektrolyse ohne direkte CO2-Emissionen auskommt, bietet blauer Wasserstoff nach Ansicht der Befürworter eine Übergangslösung, insbesondere in Regionen, die noch stark auf fossile Brennstoffe angewiesen sind.
Aktuelle Marktlage bei blauem Wasserstoff
Der Markt für blauen Wasserstoff wächst rasant, unterstützt durch staatliche Förderprogramme und Investitionen in Forschung und Entwicklung. Regierungen weltweit sehen in blauem Wasserstoff eine Brückentechnologie. Sie kann helfen, die CO2-Emissionen zu reduzieren, während gleichzeitig die Infrastruktur für eine vollständige Wasserstoffwirtschaft aufgebaut wird.
In Europa hat die EU-Kommission im Rahmen des „European Green Deal“ zahlreiche Initiativen gestartet, um die Produktion und Nutzung von blauem Wasserstoff zu fördern. Ähnliche Programme gibt es in den USA, Japan und anderen Industrieländern. Diese Initiativen zielen darauf ab, die Kosten der CCS-Technologien zu senken und die Wirtschaftlichkeit von blauem Wasserstoff zu verbessern. In den Niederlanden kündigte beispielsweise Air Products im November 2023 den Bau einer Anlage an, die ab 2026 blauen Wasserstoff herstellen soll.
Der Anteil von blauem Wasserstoff an der gesamten Wasserstoffproduktion ist derzeit noch vergleichsweise gering, aber stetig steigend. Laut einer Studie von MarketsandMarkets betrug das Umsatzvolumen 2022 rund 18 Mrd. USD. Dieser Umsatz könnte jedoch in den nächsten Jahrzehnten deutlich zunehmen, da immer mehr Länder auf diese Technologie setzen, um ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Für 2030 prognostiziert die Studie zum Beispiel eine Größenordnung von 44,5 Mrd. USD, was einem jährlichen Wachstum von 11,9 % entsprechen würde.
Ob und wann dies auch in die Tat umgesetzt wird, bleibt aber noch abzuwarten. Denn ähnlich wie bei grünem Wasserstoff sehe ich momentan viele Absichtsbekundungen und durchaus interessante Projekte. Diese sind von ihrer Vervollständigung aber oftmals noch weit entfernt. So bleibt die Frage momentan noch offen, welche Rolle blauer Wasserstoff beim Mix der Erneuerbaren Energien tatsächlich spielen wird.
Was hält die Zukunft für blauen Wasserstoff bereit?
Die International Renewable Energy Agency (IRENA) und das Hydrogen Council prognostizieren zudem, dass der Marktanteil von blauem Wasserstoff auch gegenüber anderen Wasserstoffarten bis 2050 erheblich steigen könnte. Dies könnte insbesondere dann erfolgen, wenn die Kosten für Carbon Capture and Storage (CCS) weiter sinken und politische Maßnahmen die Nutzung von Wasserstofftechnologien fördern.
Genau das steht aber unter einem großen Fragezeichen. Umweltschützer stehen dem Ansatz weiterhin skeptisch gegenüber und bezeichnen blauen Wasserstoff teilweise sogar als „Klimakiller“. Da grüne Parteien in Europa noch immer einen erheblichen Einfluss auf die Politik haben, steht dem Ausbau von blauem Wasserstoff damit noch Gegenwind bevor.
Nichtsdestotrotz schätzt BloombergNEF, dass der Anteil von blauem Wasserstoff bis 2030 auf etwa 20% der globalen Wasserstoffproduktion anwachsen könnte. Dazu müsste die Industrie aber die technologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen meistern.
Experten sind geteilter Meinung über die langfristige Bedeutung von blauem Wasserstoff. Während einige die Technologie als notwendigen Zwischenschritt auf dem Weg zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft sehen, kritisieren andere die hohen Kosten und die Unsicherheiten der CO2-Speicherung.
Laut einer Studie der International Energy Agency (IEA) könnte blauer Wasserstoff eine bedeutende Rolle in der Dekarbonisierung von Industriezweigen spielen, die schwer zu elektrifizieren sind, etwa die Stahl- und Chemieindustrie. Die wirtschaftliche Rentabilität hängt jedoch stark von politischen Rahmenbedingungen und technologischen Fortschritten ab, die sich aktuell schlicht nicht mit Sicherheit vorhersagen lassen.
Marktführer im Bereich blauer Wasserstoff
Mehrere Unternehmen haben sich als Vorreiter bei der Produktion und Nutzung von blauem Wasserstoff positioniert. Eines der führenden Unternehmen ist Royal Dutch Shell, das große Investitionen in Projekte zur Produktion von grünem und blauem Wasserstoff tätigt, darunter das Projekt „Holland Hydrogen 1“ im Hafen von Rotterdam. Auch BP und Equinor sind bedeutende Akteure in diesem Bereich, wobei beide Unternehmen erhebliche Mittel in die Entwicklung von CCS-Technologien und die Produktion von blauem Wasserstoff investieren.
Es ist nur nachvollziehbar, dass gerade die großen Ölkonzerne in dieser Hinsicht schwer aktiv sind. Denn bei einem Durchbruch von blauem Wasserstoff schwingt auch die Hoffnung mit, dass CO2-Emissionen durch Auffangen noch eine Weile länger toleriert werden. Und damit könnten Shell und Konsorten etwas länger an ihren Geschäftsmodellen festhalten.
Ein weiteres prominentes Unternehmen im Bereich blauer Wasserstoff ist Air Liquide, das innovative Lösungen für die Herstellung und Nutzung des alternativen Kraftsfoffes entwickelt und weltweit an mehreren Projekten beteiligt ist. In Japan führt Mitsubishi Heavy Industries die Bemühungen an, blaue Wasserstofftechnologien zu implementieren und industrielle Anwendungen zu fördern.
Erobert blauer Wasserstoff Nordamerika?
Auch in Nordamerika gibt es bedeutende Entwicklungen zu beobachten. Unternehmen wie Chevron und ExxonMobil investieren stark in die Erforschung und Entwicklung von blauen Wasserstoffprojekten. Diese Unternehmen sehen in blauem Wasserstoff eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung ihrer Betriebsabläufe und als Brückentechnologie auf dem Weg zu einer kohlenstoffarmen Zukunft.
Diese globalen Akteure treiben durch ihre Investitionen und Innovationen die Verbreitung und Effizienz der blauen Wasserstoffproduktion voran. Dies ist entscheidend für die Skalierung und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit dieser Technologie.
Fazit
Blauer Wasserstoff gilt nicht als eine endgültige Lösung für sämtliche Energie- und Klimaprobleme. Er wird von vielen Akteuren in Politik und Wirtschaft aber als elegante Zwischenlösung verstanden, um CO2-Emissionen zumindest zu senken. Gleichzeitig ließen sich kritische Bereiche weiterhin ausreichend mit Energie beliefern.
Stehen und fallen wird der Ansatz meiner bescheidenen Ansicht nach letztlich aber mit dem Preis. Denn zurückgehalten wird der Durchbruch von Wasserstoff derzeit nicht vom Unwillen von Unternehmen und Regierungen. Die Kosten pro Tonne Wasserstoff sind aber schlicht noch zu hoch. Dadurch greifen viele Konzerne lieber weiterhin auf günstigere fossile Brennstoffe zurück.
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