Unser heutiger Interviewpartner ist der CEO der Biofrontera AG, Hermann Lübbert.
Die Biofrontera AG ist ein biopharmazeutisches Unternehmen, das auf die Entwicklung und den Vertrieb dermatologischer Medikamente und medizinischer Kosmetika spezialisiert ist. Das Leverkusener Unternehmen, mit weltweit rund 200 Mitarbeitern, entwickelt und vertreibt Produkte zur Heilung, zum Schutz und zur Pflege der Haut.
Biofrontera ist das erste deutsche Gründer-geführte pharmazeutische Unternehmen, das eine zentralisierte europäische und eine US-Zulassung für ein selbst entwickeltes Medikament erhalten hat. Die Biofrontera-Gruppe wurde 1997 vom heutigen Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Hermann Lübbert gegründet und ist an der Frankfurter Börse (Prime Standard) und an der US-amerikanischen NASDAQ gelistet.
Herr Lübbert, der Markt wird im Moment von Hilfsprogrammen überflutet. Erwarten Sie nachhaltige Änderungen bei den Finanzierungsbedingungen?
Herr Lübbert: Deutschland ist was die Infektionszahlen und Todesfälle angeht sehr verantwortungsvoll mit der Pandemie umgegangen. Die wirtschaftlichen Folgen sind indes bisher noch nicht wirklich absehbar und werden uns und unsere Nachfolgegeneration sicherlich noch lange beschäftigen. Mit der Möglichkeit zur Kurzarbeit konnte Biofrontera bisher verhältnismäßig liquiditätsschonend durch die Krise kommen ohne Mitarbeiter in Deutschland entlassen zu müssen, denn gerade kleine Pharmaunternehmen sind auf hochqualifizierte Mitarbeiter angewiesen. Ein Mitarbeiterabfluss konnte somit bisher durch Kurzarbeitsmodelle verhindert werden, bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der wesentlichsten Unternehmensprozesse.
Weitere Unterstützung in Form von wirtschaftlichen Zuwendungen durch diverse Hilfsprogramme konnte Biofrontera indes nicht nutzen, da diese leider an den Bedürfnissen der meisten Technologie- und Biotechunternehmen vorbeigehen. Die Konditionen der staatlichen Hilfsprogramme sind für diese Art von Unternehmen, und dazu gehört auch die Biofrontera, ungeeignet, da sie einen positiven Cashflow in der Vergangenheit voraussetzen. Unser angelsächsisch geprägtes Geschäftsmodell, bei dem über viele Jahre kontinuierlich der Unternehmenswert erhöht wird, ohne dass sich das zunächst in den Umsätzen, der Bilanz oder einem positiven Cashflow des Unternehmens widerspiegelt, funktioniert anders und deshalb greifen diese Hilfsprogramme nicht. Für die Biofrontera wäre eine Anpassung der gesetzlichen Voraussetzungen für Kapitalerhöhungen entsprechend der Modelle wie zum Beispiel in den USA erheblich hilfreicher. Mit einer entsprechenden Gesetzgebung könnte sich das Unternehmen das nötige Kapital zur Überbrückung solcher Krisen am Kapitalmarkt einwerben, ohne den Steuerzahler zu belasten.
Schade, dass Biofrontera keine Hilfsprogramme in Anspruch nehmen konnte. Darüber hinaus interessant, dass in den USA dies etwas anders gehandhabt wird. Was hat sich denn durch die Corona-Pandemie bei der Biofrontera verändert?
Herr Lübbert: Seit Mitte März 2020 ist auch Biofrontera direkt von der globalen Coronavirus-Krise betroffen. Durch den Rückgang von dermatologischen Behandlungen sind unsere Einnahmen deutlich gesunken. Oberste Priorität war und ist die Gesundheit und Sicherheit unserer Mitarbeiter, weshalb wir unverzüglich Maßnahmen zum Schutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erarbeitet und eingeführt haben.
Neben der unmittelbaren Erarbeitung von Notfallplänen zur Aufrechterhaltung zentraler Prozesse für die Fortführung des Geschäftsbetriebs haben wir sehr kurzfristig bereits im März umfassende Kostensenkungen vorgenommen. So hat Biofrontera wie bereits erwähnt für alle Mitarbeiter in Deutschland Kurzarbeit eingeführt. Ähnliche Maßnahmen wurden für die Tochtergesellschaften in Spanien und Großbritannien umgesetzt.
Auch die Biofrontera Inc., die 100%ige Tochtergesellschaft in den USA, hat erhebliche Kostensenkungsmaßnahmen eingeleitet. Dort wurde der Personalbestand deutlich reduziert und zeitweise ein Freistellungsprogramm eingeführt, in dessen Rahmen alle Mitarbeiter verpflichtet wurden, vorübergehend unbezahlte Urlaubstage zu nehmen. Darüber hinaus verzichten die Mitglieder des Vorstands der Biofrontera AG sowie die Geschäftsführung der Biofrontera Inc. bis auf weiteres freiwillig auf einen substanziellen Teil ihrer Gehälter.
Die größten Umsatzeinbüßen aufgrund der COVID-19-Pandemie mussten wir in den USA verzeichnen. Ab Mitte März sorgten steigende Infektionszahlen sowie die offizielle Empfehlung der American Academy of Dermatology, die Patienten möglichst durch Ferndiagnosen und -behandlungen zu versorgen, zu deutlich zurückgehenden Patientenzahlen und viele vorübergehende Praxisschließungen. Nachdem damit auch der Vertrieb unserer Produkte fast auf null zurückgegangen ist, sehen wir seit Mai bereits eine zunehmende Verbesserung der Situation. In vielen Teilen der USA öffnen die Arztpraxen wieder und Patientinnen und Patienten zeigen wieder zunehmend die Bereitschaft, zur Behandlung von aktinischen Keratosen die Arztpraxen aufzusuchen. Aktuell beobachten wir eine langsame Erholung unseres US-Geschäfts, können dessen Dynamik vor dem Hintergrund erneut steigender Infektionszahlen besonders im Süden der USA jedoch noch nicht beurteilen.
In Deutschland konnten Marketing und Vertrieb eine im März erfolgte Zulassungserweiterung auf die Behandlung von aktinischen Keratosen am Körper und den Extremitäten sowie aktuelle Studiendaten auch während der Krise erfolgreich nutzen, um den Dermatologen die Vorteile von Ameluz näher zu bringen, wenn auch nur in schriftlicher oder elektronischer Form. Gerade in dieser Zeit wurden die Vorteile der Daylight-PDT, die bei dem durchgehend guten Wetter ohne direkten Arztkontakt durchgeführt werden konnte, besonders deutlich. In Spanien konnten wir vor dem Ausbruch der Pandemie eine sehr positive Umsatzentwicklung verzeichnen, bevor das Geschäft aufgrund der dort sehr strengen Regelungen fast komplett zum Erliegen kam. Das macht uns jedoch zuversichtlich, bald an die bisherigen Vertriebserfolge anknüpfen zu können und eine zügige Erholung der Umsätze verbuchen zu können.
Niemand kann derzeit vorhersagen, wie schnell die Wirtschaft wieder anspringt, und wie viele Unternehmen erwarten auch wir eine Erholung im zweiten Halbjahr. Aber vom Normalbetrieb, wie wir ihn vor der Pandemie kannten, ist die Weltwirtschaft derzeit weit entfernt. Das bedeutet auch, dass die Märkte anfällig für Schwankungen bleiben. Die Erholung gegenüber Ende März ist spürbar, aber noch nicht unbedingt nachhaltig. Es bestehen noch viele Unsicherheiten, insbesondere in den USA.
Unser oberstes Gebot seit Beginn der Krise lautete daher: Kosten senken und Liquidität sichern. Für eine künftige positive Geschäftsentwicklung benötigt Biofrontera aufgrund der Krise in absehbarer Zeit frisches Kapital, das neben dem operativen Geschäft auch die strategischen Wachstumsprojekte absichern soll.
Die langfristigen, strukturellen Wachstumstreiber – darunter die Erstattungssituation in den USA, die Indikationserweiterungen für unser Flagschiffprodukt Ameluz® sowie in Europa die steigende Akzeptanz der Tageslicht-PDT – sind weiterhin intakt. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass sie sich nach der Überwindung der Coronavirus-Krise beschleunigt entwickeln werden.
Das wäre sehr wünschenswert. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Sie sich in der Krise auf das wesentliche konzentrieren mussten. Daher: Was unterscheidet Sie von den Wettbewerbern der Branche?
Herr Lübbert: Biofrontera ist schon sehr früh einen sehr selbstbewussten und autarken, für Deutschland ungewöhnlichen Weg gegangen.
Das übliche Geschäftsmodell in der Branche ist es, Produktkandidaten bis zu einem bestimmten Punkt in der klinischen Entwicklung zu bringen und dann auzulizensieren bzw. einen Partner zu finden, natürlich zumeist einer der größeren Player im Markt. Die weitere Produktentwicklung und am Ende natürlich auch die Kommerzialisierung des Medikaments wird dabei in die Hände eines Partners gelegt. Dabei profitiert man zunächst von einem Downpayment, Meilensteinzahlungen und am Ende einer prozentualen Beteiligung am Umsatz. Sie geben aber als Unternehmen sehr früh ihr wertvollstes Asset für einen überschaubaren Betrag aus den Händen und sind ab diesem Zeitpunkt von der Performance des Partners abhängig.
Wir bei Biofrontera haben uns dazu entschlossen den Weg von der klinischen Entwicklung bis zum Markt völlig autonom zu gehen und eine eigene Vertriebsorganisation zur Vermarktung des Produkts aufzubauen – und sogar auch außerhalb unseres Heimatmarktes. Einfach gesagt, wir wollten das größtmöglichste Stück vom Kuchen, eigentlich den ganzen Kuchen, bei uns im Unternehmen halten und diesen Wert unseren Aktionären zukommen lassen. Ein solcher Weg birgt ein größeres Potenzial, aber auch ein hohes Risiko und einen höheren Finanzierungsbedarf. Das Risiko, an einer Zulassung oder auch an einer klinischen Erprobung zu scheitern, ist ungemein hoch. Hierzu vielleicht zwei Zahlen: Die Entwicklung eines neuen Arzneimittels dauert etwa 10 bis 12 Jahre und kostet im Durchschnitt 800 Mill. Dollar. Das ist also ein sehr langer und kostenintensiver Weg, an dessen Ende aber ein eigenständiges global agierendes Pharmaunternehmen entstehen kann, dass sich schließlich aus eigenen Umsätzen trägt – und das ist Biofrontera!
Das hört sich sehr ambitioniert an! Offensichtlich wissen Sie ganz genau, was Sie einmal mit dem Unternehmen erreichen möchten. Doch werden wir hier etwas konkreter: Wo sehen Sie die Biofrontera in 5 Jahren?
Herr Lübbert: Wir haben eine langfristige Strategie zur Entwicklung der Biofrontera zu einem eigenständigen, hochprofitablen dermatologischen Spezialpharmaunternehmen, das in der Branche durch die hohe Innovationskraft der angebotenen Medikamente besticht.
Unsere Ziele sind ambitioniert: In fünf Jahren sehen wir Biofronteras Produkte als Behandlungsstandards, sowohl Ameluz in der photodynamischen Therapie (PDT) als auch Xepi für topische Antibiotika. Dabei ist besonders der kontinuierliche Anstieg der PDT als bevorzugte Behandlungsform für die aktinische Keratose wichtig. In Zahlen heißt das konkret, dass wir zwischen 200 und 400 Millionen Euro weltweiten Umsatz in 2025 anstreben.
Dazu gehört auch die weitere Etablierung und Positionierung unserer Marken Ameluz und Xepi, aber auch der Marke Biofrontera, vor allem in unserem größten Markt, den USA.
Der Weg dahin spiegelt sich in unserer langfristigen Strategie wider. Mit zwei zugelassenen verschreibungspflichtigen Medikamenten in den USA sind wir exzellent positioniert, um uns aus eigener Stärke weiterzuentwickeln. Dabei werden wir uns weiterhin auf die für uns wichtigsten und schon etablierten Märkte USA und Europa konzentrieren und außerhalb dieser Märkte auf Vertriebspartner zurückgreifen. Diese Partnerschaften geben uns die Möglichkeit, mit geringen Kosten sowie geringen Geschäftsrisiken langfristig Erlöse in Märkten zu generieren, die wir mit eigenen Ressourcen absehbar nicht bedienen können.
Die strategische Weiterentwicklung unserer Kernmedikamente Ameluz und Xepi um weitere Indikationen und erstattete Anwendungsmöglichkeiten hat dabei Priorität. Das sind zunächst die naheliegendsten und, das möchte ich hervorheben, risikoärmsten Entwicklungsziele. Um diese wollen wir uns zuerst kümmern.
Die Einlizensierung weiterer Produkte ist nicht Teil der Kernstrategie, da unsere Forschungspipeline aus eigener Kraft stark genug ist um das Unternehmen profitabel zu entwickeln. Das heißt nicht, dass wir das grundsätzlich ausschließen. Sofern sich im Einzelfall gute Chancen für uns bieten, werden wir es in Erwägung ziehen.
Zum Abschluss habe ich noch eine Frage für Sie. Aus welchen Gründen sollten nun Anleger letztendlich in Ihr Unternehmen investieren?
Herr Lübbert: Wir sind eines der erfolgreichsten deutschen Biotechunternehmen. Unsere Produkte sind Innovationstreiber und bedienen Multimillionenmärkte. Mit einem Gesamtumsatz von rund 31 Millionen Euro in 2019 konnten wir unseren weltweiten Umsatz innerhalb von sechs Jahren verzehnfachen und sind auf dem besten Weg zum Break-even und weiterem signifikantem Wachstum. Dabei birgt unsere Produktpipeline noch ungemein viel mehr Potenzial zur Weiterentwicklung in anderen dermatologischen Indikationen. Der Pharmasektor allgemein ist sehr krisenresistent und auch wir dürfen davon ausgehen, dass die Patienten, die derzeit nicht behandelt werden konnten, diese Behandlung nachholen müssen. Somit stehen wir schon in den Startlöchern, dieses liegengebliebene Potenzial bestmöglich auszuschöpfen.
Vielen Dank für das aufschlussreiche Interview Herr Lübbert. Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Ambitionen realisiert werden. Darüber hinaus alles Gute für die Zukunft!