Vor einigen Wochen machte der CEO von Philip Morris(NYSE:PM), Jacek Olczak, mit einer Reihe von scheinbar kontraintuitiven Äußerungen Schlagzeilen. Nämlich, dass der Tabakriese den Verkauf von Zigaretten im Vereinigten Königreich bald einstellen könnte, während er die Regierung auffordert, das Rauchen ganz zu verbieten. Olczak sagte, die Marke Marlboro werde „verschwinden“, und dass „die erste Wahl für die Verbraucher darin besteht, mit dem Rauchen aufzuhören“.
Auch wenn dies bis zu einem gewissen Grad wie eine bewusste Provokation erscheinen mag, so entspricht es doch im Großen und Ganzen dem Kurs, den die Tabakindustrie in den letzten Jahren eingeschlagen hat. Es könnte sich auch als eine vernünftige Geschäftsstrategie erweisen. Die meisten langlebigen Unternehmen müssen sich irgendwann neu erfinden, um zu überleben.
Technologische Entwicklungen sind eine häufige Triebfeder des Wandels, aber der Druck kann auch von allgemeineren Veränderungen im Verbraucherverhalten ausgehen. Es ist zum Beispiel schwieriger, ein Unternehmen zu finden, das nach über 100 Jahren immer noch dasselbe Produkt verkauft, als ein Unternehmen, das seinen Geschäftszweig erfolgreich geändert hat. In manchen Fällen besteht der beste Weg, die Interessen der Aktionäre zu schützen, darin, sich andere Ansätze vorzustellen und den Wandel zu begrüßen, anstatt sich bequem auf einem sinkenden Schiff treiben zu lassen.
Tabak und Cannabis: Ein perfektes Paar
Der weltweite Exodus der Verbraucher vom Tabakmarkt bedeutet, dass diese Branche nun an einem Wendepunkt angelangt ist, an dem alternative oder zusätzliche Produktlinien für die Zukunftssicherheit ihrer Unternehmen unerlässlich sind. Unter den vielen Alternativen, die die Tabakindustrie im Rahmen ihrer umfassenden Neukonzeption ihrer Zukunft erforscht, stellt Cannabis sicherlich eine Chance dar. Zahlreiche Tabakunternehmen haben in den letzten Jahren bereits in die Cannabisbranche investiert, darunter Altria, Imperial Brands(OTC:IMBBY) und zuletzt British American Tobacco(NYSE:BTI).
Aber warum scheint Cannabis für Big Tobacco besonders attraktiv zu sein? Die erste Assoziation, die einem in den Sinn kommt, ist das Rauchen, aber es steckt viel mehr dahinter. Hier sind einige wichtige Punkte, die Cannabis meiner Meinung nach für Tabakunternehmen besonders interessant machen.
1. Technologische Fortschritte
Die beiden Branchen haben gemeinsam von bestimmten technologischen Fortschritten profitiert. Wann immer ein Durchbruch bei der Erleichterung des Konsums von verbranntem organischem Material auf eine sicherere und effizientere Art und Weise erzielt wird – wie es bei Verdampfern und E-Liquids der Fall ist – profitieren beide Branchen davon.
2. Vielfältige Produkte
Das Interesse von Big Tobacco könnte auch weit über Rauchwaren hinausgehen. Die Investitionen befinden sich noch in einem frühen Stadium, aber aus unserer Sicht ist das Interesse an Produkten aus dem gesamten Cannabis-Sortiment zu erkennen. Die Tabakindustrie möchte den Verbrauchern eine Alternative zum Rauchen bieten; die Entwicklung der Cannabisindustrie, die eine große Vielfalt an Produkten auf den Markt gebracht hat – wie Esswaren, Öle und topische Produkte – kann als Bezugspunkt dienen. Bei Prohibition Partners stellen wir ein zunehmendes Interesse an diesen Alternativen fest. Dies ist bemerkenswert für eine Branche, die jahrzehntelang von einer relativ begrenzten Produktpalette lebte.
3. Produktionsverfahren
Cannabis und Tabak beruhen auf ähnlichen Produktionsverfahren, d. h. dem Anbau einer Pflanze in einem warmen Klima und der anschließenden Verarbeitung. Dies erklärt das Interesse von Ländern wie Andorra oder Malawi an Cannabis, die sich in der Vergangenheit stark auf den Tabakanbau als wichtigstes landwirtschaftliches Produkt verlassen haben.
4. Lieferkette und Vertrieb
Beide Branchen haben ähnliche Vertriebskanäle, da die Produkte in der Regel in stationären Geschäften verkauft werden, die regulierte Produkte verkaufen, wie Tabakläden, Schankwirtschaften und Apotheken. In all diesen Verkaufsstellen benötigen die Einzelhändler spezielle Genehmigungen und sind an strenge Verhaltenskodizes gebunden.
Auch die Vermarktung von Cannabis- und Tabakerzeugnissen unterliegt strengen Beschränkungen, da die Länder und Staaten spezifische Vorschriften darüber erlassen haben, wo (z. B. Printmedien, Radio, digitale Kommunikation, Fernsehen) und wie (z. B. gesundheitsbezogene Angaben, Beschränkungen für kostenlose Proben, Sponsoring) Unternehmen werben dürfen. Da Big Tobacco bereits Erfahrungen mit stark regulierten Produkten gesammelt hat, wäre es für sie ein Leichtes, in den Cannabis-Einzelhandelsmarkt einzusteigen.
5. Marketing-Möglichkeiten
Investitionen in Cannabis könnten auch eine große Marketingchance für Tabakmarken darstellen. Schließlich ist die grundlegende Produktdifferenzierung in der Tabakindustrie gering, so dass der Reichtum in erster Linie auf ikonischer Werbung beruhte. In den letzten Jahren wurde es jedoch durch die Verschärfung der Vorschriften und die veränderte Wahrnehmung der Verbraucher immer schwieriger, für Tabakmarken zu werben. Eine Investition in Cannabis wäre nicht nur eine Möglichkeit, ein gewisses Marketingbudget in einem weniger regulierten Umfeld auszugeben, sondern die bloße Assoziation mit Cannabis könnte der Branche helfen, ihren Ruf in einigen wichtigen strategischen Segmenten ihrer Zielgruppe, insbesondere bei jüngeren Menschen, zu verbessern.
6. Hochregulierte Märkte
Die Tabakindustrie weiß, wie man in einem komplexen und stark regulierten Umfeld agiert. Aus diesem Grund war sie gezwungen, eine starke Öffentlichkeitsarbeit und Lobbyarbeit zu entwickeln – durch die Anwendung dieses Einflusses auf Cannabis könnte die Tabakindustrie einen erheblichen Einfluss auf die Gestaltung eines noch im Entstehen begriffenen Regulierungsrahmens haben. Der Aktivismus von Altria in den USA ist ein klares Beispiel dafür.
7. ESG-Bewertung und Nachhaltigkeit
Schließlich hat der Übergang zum Cannabismarkt auch Vorteile für börsennotierte Tabakunternehmen, da sie dadurch ihre Umwelt-, Sozial- und Corporate-Governance-Ratings (ESG) verbessern könnten. ESG-Bewertungen sind für börsennotierte Unternehmen immer wichtiger geworden, da Investoren und Analysten diese Bewertungen bei der Bestimmung des langfristigen Risikos der Aktien eines Unternehmens berücksichtigen. Die Aufnahme von Produkten wie CBD aus im Freien angebautem Hanf (einer kohlenstoffnegativen Nutzpflanze) in das Sortiment könnte die ESG-Ratings von Big Tobacco verbessern und das Unternehmen in die Lage versetzen, den Fortschritt der aufstrebenden Branche hin zu positiveren ökologischen und sozialen Ergebnissen mitzugestalten.
Langfristig investieren
Wenn man alle diese Faktoren zusammen betrachtet, könnte die Beziehung zwischen Tabak und Cannabis mehr als nur eine Vernunftehe werden. Die Tabakkonzerne verfügen über viele der erforderlichen Fähigkeiten und Ressourcen, um in der Welt des Cannabis erfolgreich zu sein, während die Cannabisproduzenten einen Prozess der transformativen Innovation durchlaufen haben, von dem die Tabakkonzerne gut lernen könnten – die Beziehung könnte symbiotisch sein.
Cannabis kann und wird kein Ersatz für Tabak sein. Das ist jedoch nicht das, was die Tabakindustrie braucht. Sie braucht dringend neue Produkte, um ihr Geschäft zu diversifizieren, so dass die Einbeziehung von legalem Cannabis ein logischer Schritt ist, den die Tabakkonzerne in Betracht ziehen sollten.
Tabak ist lange genug haltbar, um noch einige Zeit lang äußerst profitabel zu sein. Cannabis ist keine schnelle Lösung für kurzfristig sinkende Einnahmen, sondern vielmehr eine langfristige Chance. Es könnte eine entscheidende zukunftsorientierte Investition für eine Branche sein, die das Lebensstilmittel bleiben will, das sie – im Guten wie im Schlechten – in den letzten 100 Jahren oder mehr gewesen ist, und nicht das nächste große Imperium werden will, das sich in Rauch auflöst.
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