Ölunternehmen sind für die Weltwirtschaft von entscheidender Bedeutung. Sie liefern den Kraftstoff, den das Transportwesen und die Energieversorgung benötigen, sowie die elementaren Bausteine für petrochemische Produkte. Allerdings ist die Ölindustrie hart umkämpft und das Preisniveau stark schwankend.
Diese Volatilität zeigte sich im Jahr 2020 in vollem Umfang, als die Rohölpreise aufgrund von COVID-19 auf eine wilde Kursfahrt gingen. Für Anleger eröffneten sich dadurch ungewohnte Einstiegsmöglichkeiten, die aber nicht ohne Risiken sind. Ölunternehmen ist eben nicht gleich Ölunternehmen. Investoren sollten jede Aktie daher zunächst nach bestimmten Kriterien abklopfen, bevor sie sich unwissentlich einen bleischweren Ladenhüter ins Depot legen.
Drei Arten von Ölunternehmen
Die Ölindustrie ist von Natur aus risikoreich für Investoren. Das Gesamtgeschäft ist nicht nur abseits einer grassierenden Corona-Pandemie zyklisch und volatil. Auch jedes Segment der Branche weist eine spezifische Reihe von Risikofaktoren auf. Bei den verschiedenen Segmenten unterscheidet man Unternehmen nach folgendem Aktivitätenprofil:
- Upstream: Exploration und -Produktion (E&P) von Öl und Erdgas sowie Ölfelddienstleistungen
- Midstream: Transport, -Verarbeitung und -Lagerung von Öl und verwandten Flüssigkeiten, einschließlich raffinierter Erdölprodukte und Erdgasflüssigkeiten (NGLs) wie Ethan und Propan
- Downstream: Raffination und Vertrieb von Erdölprodukten
Wovon ist der Ölpreis abhängig?
Die Ölnachfrage wächst zusammen mit der Wirtschaft. Befindet sich Letztere in einer robusten Phase, sind gewöhnlich höhere Ölpreise am Markt durchsetzbar, wodurch die Profitabilität der Produzenten steigt.
Allerdings spielen auch geopolitische Faktoren und die Kapitalallokation eine entscheidende Rolle in der Branche. Mehrere große ölproduzierende Nationen sind Teil der OPEC, einer Organisation, die die nationale Ölpolitik koordiniert. Die Entscheidungen der OPEC können den Ölpreis erheblich beeinflussen.
Das war Anfang 2020 der Fall, als das Marktstützungsabkommen der Organisation mit Russland genau in dem Moment zusammenbrach, als COVID-19 der Nachfrage den Wind aus den Segeln nahm. Genau so können auch Ölunternehmen, die unabhängig von der OPEC agieren, den Ölmarkt beeinflussen, wenn sie zu viel oder zu wenig Kapital für neue Ölprojekte bereitstellen.
Drei entscheidende Merkmale
Angesichts der Volatilität der Ölpreise muss ein Ölunternehmen drei entscheidende Eigenschaften aufweisen, um die unvermeidlichen Abschwünge der Branche zu überstehen.
- Ein starkes Finanzprofil mit einem Investment-Grade-Rating für Anleihen, beträchtlichen Barbeständen oder reichlich Zugang zu Krediten und überschaubaren Fälligkeiten der Schulden.
- Niedrige Betriebskosten oder weniger volatile Cashflow-Ströme. E&P-Unternehmen müssen in der Lage sein, den Betrieb bei Ölpreisen unter $40 pro Barrel aufrechtzuerhalten. Midstream-Unternehmen sollten mehr als 85 % ihres Cashflows aus stabilen Quellen wie gebührenbasierten Verträgen beziehen. Downstream-Unternehmen sollten Betriebskosten haben, die unter dem Branchendurchschnitt liegen.
- Diversifizierung. Ölunternehmen sollten in mehr als einer Region tätig sein oder mehrere verschiedene Aktivitäten betreiben.
Name | ISIN | WKN |
BP | GB0007980591 | 850517 |
Chevron | US1667641005 | 852552 |
China Petroleum & Chemical | CNE1000002Q2 | A0M4XN |
China National Petroleum | CN00000CNPC0 | 3444 |
Exxon Mobil | US30231G1022 | 852549 |
PetroChina | CNE1000003W8 | A0M4YQ |
Rosneft Oil | RU000A0J2Q06 | A0J2Q0 |
Royal Dutch Shell | GB00B03MLX29 | A0D94M |
Saudi Aramco | SA14TG012N13 | A2PVHD |
Total | FR0000120271 | 850727 |
Die 10 wertvollsten Öl-Aktien der Welt
ConocoPhillips
Der Fels in der Brandung
ConocoPhillips ist eines der größten E&P-Unternehmen der Welt, das in mehr als einem Dutzend Ländern tätig ist. Das Unternehmen fördert Öl mit einer Vielzahl von Bohrquellen und Methoden, darunter Horizontalbohrungen und Hydraulic Fracturing von Schiefergestein in den USA, Ölsandabbau in Kanada und Tiefseebohrungen sowie andere konventionelle Fördertechniken in anderen Teilen der Welt.
Das diversifizierte Portfolio von ConocoPhillips zeichnet sich durch niedrige Förderkosten aus, da ein erheblicher Teil der Ölreserven zu einem Preis von unter 40 US-Dollar pro Barrel produzierbar ist. Aus diesem Grund kann das Unternehmen auch bei niedrigeren Ölpreisen einen beträchtlichen Cashflow produzieren.
Schließlich ergänzt das Unternehmen sein diversifiziertes, kostengünstiges Portfolio mit einer erstklassigen Bilanz. ConocoPhillips rühmt sich regelmäßig mit einem der höchsten Kreditratings unter den E&P-Unternehmen, unterstützt durch einen für den Sektor niedrigen Verschuldungsgrad und viel Bargeld. Aus diesem Grund ist ConocoPhillips sehr widerstandsfähig gegenüber niedrigeren Ölpreisen und damit eines der am besten positionierten Ölunternehmen, um mit der Volatilität des Sektors umzugehen.
Name | Leverage 2018 | Leverage 2019 | Leverage 2020 (* = geschätzt) |
ConocoPhillips | 0,532 | 0,394 | 1,878* |
Kinder Morgan | 4,498 | 4,490 | 4,602 |
Phillips 66 | 0,809 | 1,339 | 5,815* |
Chevron | 0,597 | 0,585 | 2,055* |
Royal Dutch Shell | 0,850 | 1,303 | 2,027* |
Verschuldungsgrad ausgewählter Öl-Unternehmen 2018-2020
Kinder Morgan
Die Pipeline des Ölsektors
Kinder Morgan ist eines der größten Energieinfrastrukturunternehmen in Nordamerika. Das Unternehmen betreibt das größte Erdgas-Pipeline-Netz des Kontinents und ist führend im Transport von raffinierten Erdölprodukten sowie in der Lagerung von Öl und raffinierten Produkten. Und schließlich ist es ein wichtiges Unternehmen für den Transport von Kohlendioxid, das bei der Ölförderung in Texas eingesetzt wird, indem es CO2 in alternde Ölfelder injiziert, um mehr Rohöl aus dem Boden zu holen.
Vorteilhafte Verträge
Kinder Morgan ist nur in geringem Maße direkt von den Ölpreisen abhängig, da das Unternehmen den Großteil seiner Einnahmen aus gebührenbasierten Verträgen erzielt. Insgesamt machen diese Verträge typischerweise mehr als 90 % der Jahreseinnahmen des Unternehmens aus, wobei mit rund zwei Drittel dieser Umsätze kein Mengenrisiko einhergeht. Das heißt, die Kunden bezahlen das Unternehmen auch dann, wenn sie die vertraglich vereinbarte Kapazität nicht nutzen.
Während etwa 10 % des Cashflows des Unternehmens direkt von den Rohstoffpreisen abhängig ist, schließt Kinder Morgan in der Regel Absicherungsverträge, um die Preisgestaltung für etwa die Hälfte dieser Einnahmen zu sichern. Aufgrund dieser Merkmale erwiesen sich die Erträge von Kinder Morgan während des Marktabschwungs im Jahr 2020 als recht widerstandsfähig.
Schließlich verfügt Kinder Morgan über eine starke Bilanz mit Investment-Grade-Rating. Das verschafft dem Unternehmen die finanzielle Flexibilität, auch in schwierigen Zeiten wachstumsbezogene Investitionen zu tätigen und über Rückkäufe und Dividenden Barmittel an die Aktionäre zurückzugeben. Das war im Jahr 2020 der Fall, als Kinder Morgan seine Dividende erhöhte, obwohl viele Konkurrenten ihre Ausschüttung reduzierten.
Phillips 66
Dreh- und Angelpunkt der Ölindustrie
Phillips 66 ist eines der führenden Raffinerieunternehmen, das in den USA und Europa tätig ist. Das Unternehmen hat auch Investitionen im Midstream-Bereich getätigt – einschließlich beträchtlicher Anteile an Phillips 66 Partners und DCP Midstream – und in der Chemie über sein CPChem Joint Venture mit Chevron. Der Bereich Marketing und Spezialitäten schließlich vertreibt raffinierte Produkte und stellt Spezialprodukte wie Schmierstoffe her.
Attraktive Margen
Dank seiner breit gefächerten Aktivitäten gehört Phillips 66 zu den Produzenten mit den niedrigsten Kosten in der Branche. Das Unternehmen nutzt zum Beispiel sein Midstream-Netzwerk, um seine Raffinerien und petrochemischen Anlagen mit kostengünstigem Öl und Flüssiggas zu versorgen.
Der Konzern betreibt auch die Produktion von höherwertigen Produkten wie schwefelarmen Diesel, was die Rentabilität steigert. Schließlich investiert das Unternehmen in Projekte, die seine Margen verbessern, insbesondere im Bereich der Raffinerie.
Phillips 66 kann sich zudem eines starken Finanzprofils rühmen, das eine Investment-Grade-Bilanz, gut geordnete Fälligkeiten von Schulden und viel Liquidität umfasst. Diese Faktoren verleihen dem Unternehmen die finanzielle Flexibilität, in Expansionsprojekte zu investieren, eine attraktive Dividende zu zahlen und Aktien zurückzukaufen.
Chevron
Der letzte Mohikaner
Chevron ist inzwischen die letzte Ölaktie im Dow Jones Industrial Average, seit der Rivale Exxon Mobil Ende August 2020 nach mehr als 90 Jahren Zugehörigkeit aus dem Leitindex verdrängt wurde. Auch wenn Chevron ein Blue-Chip-Wert bleiben wird, ist die Ersetzung von Exxon durch den Software-Aktienwert Salesforce ein weiteres Signal für die sinkenden Aussichten des Energiesektors.
Unerwartete Verluste
Ende Januar meldete Chevron einen unerwarteten Verlust für das 4. Quartal 2020, obwohl die Ölpreise stiegen. Der Ölriese verzeichnete einen Verlust von 1 Cent pro Aktie bei einem Umsatz von 25,25 Mrd. USD. Die Analysten hatten einen Rückgang des EPS um 94% auf 9 Cents bei einem Umsatz von 27,6 Mrd. USD erwartet.
Die weltweite Netto-Öl-Äquivalent-Produktion stieg hingegen um 6% auf 3,28 Mio. Barrel pro Tag, was vor allem auf die Übernahme von Noble Energy zurückzuführen ist. Das Unternehmen meldete für das Gesamtjahr Verkäufe von Vermögenswerten in Höhe von 2,9 Mrd. USD, womit sich das Gesamtvolumen für 2018-2020 auf 7,7 Mrd. USD erhöht. Chevron senkte die Investitionsausgaben für das Jahr um 35% und fügte im Jahr 2020 832 Millionen Barrel an nachgewiesenen Nettoreserven hinzu, wobei der Noble-Deal den Großteil des Anstiegs ausmachte.
In den letzten drei Jahren lag das Gewinnwachstum von Chevron im Durchschnitt bei -11%. Die dreijährige Umsatzwachstumsrate des Dow Jones Energieriesen liegt bei -6%. Investoren suchen generell nach Aktien mit einem nachhaltigen Gewinn- und Umsatzwachstum von mindestens 25%. Zu dieser Gruppe von Aktien zählt Chevron derzeit augenscheinlich nicht. Die Chevron-Aktie bietet aber eine Dividendenrendite von 6%. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Rendite des S&P 500 liegt bei etwa 2%.
Ölpreis-Prognose
Die Aktie hat sich von den Tiefs des Coronavirus-Börsencrashs im März erholt. Der Kurs prallte an der 50-Tage-Linie ab, bevor er sie am 9. November durchbrach, nachdem Pfizer ermutigende Ergebnisse zum Impfstoff Covid-19 bekannt gab und in der Folge die Ölpreise stiegen. Doch die Aktie hat es nicht nachhaltig in die Kaufzone geschafft und liegt wieder unter ihrer 50-Tage-Linie.
Trotz der tendenziell bullishen Nachrichten über Covid-19-Impfstoffe prognostizieren eine Reihe von Experten keinen steilen Anstieg für den Ölpreis in 2021. Sie schätzen stattdessen, dass der durchschnittliche Preis pro Barrel bei 43-45 USD liegen wird, wobei der Flugzeugtreibstoff Kerosin die Nachfrage im Jahr 2021 am meisten belasten dürfte.
Wie andere Ölaktien auch ist die Chevron-Aktie stark von den Rohölpreisen abhängig. Selbst wenn die Fundamentaldaten und technischen Daten von Chevron vergleichsweise robust ausfallen würde, wird der Kurs bei einem plötzlichen Einbruch der Rohölpreise ebenfalls fallen.
Name | EPS 2020e in USD | EPS 2021e in USD | EPS 2024e in USD |
BP | -1,00 | 0,27 | 0,45 |
Chevron | -2,96 | 3,18 | 5,28 |
China Petroleum & Chemical | 0,05 | 0,06 | 0,07 |
Exxon Mobil | -5,25 | 2,13 | 3,31 |
PetroChina | 0,02 | 0,02 | 0,04 |
Rosneft Oil | -0,06 | 0,86 | 1,08 |
Royal Dutch Shell | -2,78 | 1,40 | 1,90 |
Saudi Aramco | 0,27 | 0,37 | 0,46 |
Total | -2,90 | 3,14 | 4,23 |
Konsensschätzung für Gewinn pro Aktie 2020-2024
Wichtige Aufträge
Am 3. Dezember 2020 senkte Chevron seine langfristige Investitionsprognose auf $14 Mrd. bis $16 Mrd. jährlich bis 2025 von zuvor $19 Mrd. bis $22 Milliarden. Chevron schloss sich damit anderen großen Ölkonzernen an, die den Druck der längerfristig niedrigeren Rohölpreise spüren. Das Unternehmen plant jedoch weiterhin, die Investitionen in bestimmte Anlagen zu erhöhen, wie z. B. im Permian Basin, in anderen unkonventionellen Ölfeldern und im Golf von Mexiko.
Dennoch konnte das Unternehmen zuletzt wichtige Deals realisieren, die den Umsatz in Zukunft nochmals spürbar nach oben schrauben werden. Im Juli 2020 gab Chevron zum Beispiel bekannt, dass man den Öl- und Gasproduzenten Noble Energy im Rahmen eines Aktientausches im Wert von 5 Mrd. USD gekauft hat. Noble besitzt gut 37.000 Hektar Land im Delaware-Becken des ölreichen Permian.
Im August gehörte Chevron zu den Energiewerten, die Vereinbarungen mit der irakischen Regierung im Wert von bis zu 8 Mrd. USD verkünden konnten. Der Ölriese startete exklusive Verhandlungen über einen Explorations-, Erschließungs- und Produktionsvertrag für ein großes Ölfeld in der Provinz Dhi Qar.
Während Chevrons vorgelagerte Bohraktivitäten von höheren Ölpreisen profitieren, erzielen Chevrons nachgelagerte Raffinerieaktivitäten kleinere Margen, wenn die Ölpreise steigen. Chevron gehört zu den Ölunternehmen mit Raffineriebetrieben an der Golfküste, die für eine optimale Raffineriekapazität schweres Rohöl benötigen. Die Sanktionen gegen venezolanisches Rohöl haben die Input-Kosten für Raffinerien erhöht und drücken derzeit die Margen.
Fazit
Chevron ist eine typische Blue Chip-Aktie, die sich wertorientierte Investoren normalerweise gerne ins Depot legen, weil das Unternehmen über genügend Substanz verfügt, um auch Krisen zu überstehen. Aufgrund der oben angeführten Probleme ist das Wertpapier vergleichsweise günstig zu erhalten. Anleger sollten sich innerlich jedoch darauf einstellen, dass in diesem Fall vermutlich nur eine wirklich langfristige Investmentstrategie die gewünschte Rendite mit sich bringt.
Was auf jeden Fall für die Aktie spricht: Das Unternehmen schüttet sehr zuverlässig Dividenden aus und konnte die Auszahlung 33 Jahre am Stück steigern. Angesichts des derzeitigen Kursniveaus bietet das Wertpapier eine attraktive Dividendenrendite von rund 6 %.
Royal Dutch Shell
Der Traum vom „grünen“ Ölkonzern
Royal Dutch Shell ist eines der größten Öl- und Erdgasunternehmen der Erde. Für die Zukunft hofft das Unternehmen allerdings, zu einem wichtigsten globalen Lieferanten von sauberer Energie zu werden. Doch dieser Transformationsprozess dürfte aller Voraussicht nach viel Geld verschlingen.
Die globale Energiewirtschaft kämpft seit einigen Jahren um ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, vor allem aufgrund der steigenden Produktion des US-Öl- und Gassektors an Land. Dieser Umstand trug dazu bei, dass der Ölpreis im Zuge der Corona-Lockdowns aufgrund eines plötzlichen und massiven Rückgangs der Nachfrage so gnadenlos abstürzte. Die wichtige US-Benchmark West Texas Intermediate (WTI) fiel sogar kurzzeitig unter die Nullmarke. Das heißt, die Verkäufer mussten den Käufern tatsächlich Geld zahlen, damit diese ihnen ihre Lagerbestände abnahmen.
Erst die Dividende …
Der Shell-Vorstand reagierte auf die veränderte Lage im April 2020 und schlug seinen Aktionären eine Dividendenkürzung um 66% vor. So etwas hören Aktionäre gewöhnlich gar nicht gerne. Auch Unternehmensvorstände scheuen solch drastische Schritte. Angesichts der massiven Probleme entschied das Unternehmen jedoch, dass es einen neuen Kurs einschlagen muss. Und um seine Investitionspläne weiter finanzieren zu können, musste es eine seiner größten Barausgaben kürzen – eben jene besagte Dividende.
Inzwischen hat das Management erneut seine Taktik geändert und im dritten Quartal 2020 die Dividende von 0,32 USD pro American Depository Receipt (ADR) auf 0,333 USD angehoben. Diese Maßnahme war im Wesentlichen dazu gedacht, langfristige Investoren zu beruhigen.
… dann das ganze Unternehmen
Die eigentliche Veränderung bei Shell besteht jedoch darin, dass das Unternehmen bis 2050 seinen Emissionsausstoß auf netto null senken will. Im Grunde genommen will Shell ein „grüneres“ Unternehmen werden, da sich die Weltwirtschaft zunehmend von fossilen Brennstoffen fortbewegt. Und das bedeutet, dass sich die Prioritäten des Unternehmens erheblich verschieben werden.
Im Moment sehen die Pläne Investitionen im Bereich von 20 Milliarden Dollar pro Jahr vor. Etwa 40 % davon sollen in das alte Öl- und Gasgeschäft fließen, der Rest in das so genannte Übergangsgeschäft (bis zu 40 %) und das Wachstumsgeschäft (bis zu 25 %). Im Bereich der alten Öl- und Gasvorkommen will sich das Management auf seine besten Anlagen konzentrieren, um die Produktionskosten zu senken.
Teurer Wandel
Das ist angesichts der niedrigen Öl- und Gaspreise sicherlich eine gute Entscheidung, aber es deutet auf ein stagnierendes oder sogar schrumpfendes Ölgeschäft hin. Diese Sparte soll weiterhin als Cash-Cow dienen, um die Umstellung des Unternehmens auf saubere Energie zu finanzieren. Allerdings muss man realistischerweise davon ausgehen, dass die Cash-Generierung des Gesamt-Konzerns im Vergleich zu heute über Jahre hinweg sinken wird, bis die Investitionen sich auszahlen werden und entsprechende Überschüsse produzieren.
Was die Umstellung betrifft, so will das Unternehmen sein Chemie- und Raffineriegeschäft in ähnlicher Weise überarbeiten. Das Ziel ist es, die Zahl der Anlagen von heute 14 auf etwa sechs im Jahr 2025 zu reduzieren. Die wenigen verbleibenden Chemie- und Raffinerieanlagen sollen jedoch große, moderne und erstklassige Anlagen sein.
Auch das Geschäft mit Flüssigerdgas (LNG) wird sich wandeln. Shell geht davon aus, dass die Nachfrage nach diesem Kraftstoff in absehbarer Zukunft um bis zu 4 % pro Jahr steigen wird, da Erdgas zur Unterstützung der weltweiten Bemühungen zur Reduzierung der Kohlenstoffemissionen genutzt wird. Das deutet auf ein gewisses Wachstumspotenzial hin. Aber es ist nicht klar, ob es ausreichen wird, um die Pläne für das Öl- und Raffineriegeschäft auszugleichen.
Bunter Mischmasch
Die Geschäftsbereiche, die in Shells Plänen das Prädikat „Wachstum“ verdienen, sind eine interessante Mischung. Tankstellen sind ein wichtiger Bestandteil, da sie einen Berührungspunkt mit den Endkunden bieten. Allerdings setzt das Management den Schwerpunkt des Geschäfts eher auf den Einzelhandel als auf den eigentlichen Verkauf der Energie. Dieser Bereich wird auch ein wichtiger Baustein für die Pläne des Energieriesen sein, in den mutmaßlich lukrativen Markt der Ladestationen für Elektrofahrzeuge zu expandieren.
Das Unternehmen will sich auch stärker auf seinen Energiehandel und Investitionen in erneuerbare Energien wie Solar- und Windenergie sowie Speichermöglichkeiten verlagern. Und es gibt erste Bemühungen, in die Geschäftsbereiche Biokraftstoffe und Wasserstoff vorzudringen.
Dieser bunte Mischmasch könnte aber noch für neue Probleme sorgen. Denn einige Elemente dieser Strategie sind im Grunde konkurrierende Technologien. Bildlich gesprochen: Royal Dutch Shell wirft derzeit haufenweise Eier an die Wand und hofft darauf, dass sich am Ende genügend Eigelb für ein schmackhaftes Omelett finden lässt.
Entschuldung geplant
Alles in allem ist der Plan von Shell nicht per se schlecht. Aber für Anleger ist wichtig, das Ausmaß der Veränderung zu erkennen. Nimmt man das jährliche Kapitalbudget des Unternehmens in Höhe von 20 Mrd. USD als Grundlage, so sind davon etwa 12 Mrd. $ für die „Übergangs-“ und „Wachstumsgeschäfte“ vorgesehen.
Das ist eine riesige Menge an Ausgaben für eine Mischung aus verschiedenen Geschäftsbereichen, die sich möglicherweise nicht wie erwartet entwickeln. Oder zumindest über Jahre hinweg mehr Geld verschlingen werden, als Einnahmen hereinkommen.
Derweil wird das Unternehmen versuchen, seine langfristigen Schulden in Höhe von 91 Mrd. USD auf etwa 65 Mrd. USD zu reduzieren, was an und für sich schon in normalen Ölpreisphasen eine große Anstrengung bedeutet. Und bei all dem wird sich das Unternehmen mehr und mehr aus dem Ölgeschäft zurückziehen, das lange Zeit den zentralen Unternehmenskern darstellte.
Holprige Fahrt für Anleger
Der Kurs der Shell-Aktie hat sich in den letzten fünf Jahren ungefähr halbiert. Dennoch liegt die Rendite aufgrund der Dividendenkürzung derzeit nur bei 3,9 %. Das ist im Vergleich zum breiten Markt großzügig, liegt aber weit unter den Renditen von Konkurrenten wie Total und Chevron, die beide weiterhin ihre expansive Dividendenpolitik fortsetzen.
Shell wird sich wahrscheinlich durch den beschriebenen Übergang durchwurschteln. Doch es besteht ein erhebliches Risiko, dass dies eine holprige Fahrt werden wird. Und wenn sich die Ölpreise erholen, könnte das Unternehmen aufgrund mangelnder Investitionen in seine alten Geschäftsbereiche gegenüber der übrigen Energiebranche ins Hintertreffen geraten, da keine vergleichbaren Einnahmen sprudeln. Die Aktie empfiehlt sich daher momentan nur für Investoren mit einem sehr langfristigen Anlagehorizont.
Shell-Aktien der Klasse A und B
Noch ein praktischer Tipp für Anleger, die sich für das Shell-Wertpapier interessieren: An den Börsen können Sie Aktien der Klasse A und B erwerben. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Typen betrifft das Börsenlisting und das jeweils zuständige Steuerrecht.
Shell-Aktien der Klasse A sind in den Niederlanden gelistet und mit einem Quellensteuerabzug in Höhe von 15 % belegt, wenn Sie eine Gewinnausschüttung erhalten. Dank der EU lässt sich dieser Steuerabzug aber direkt auf die Kapitalertragssteuer hierzulande anrechnen.
Für die Shell-Aktien Klasse B ist hingegen die britische Gesetzgebung zuständig, die zwar keine Quellensteuer kennt. Doch das Procedere könnte sich nun durch den vollzogenen Brexit verkomplizieren. Deutsche Anleger greifen erfahrungsgemäß eher zu den Aktien Klasse A, die in der Regel etwas günstiger zu erwerben sind, da Dividendenansprüche und Stimmrecht bei beiden Typen identisch sind.
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