Liebe Leserin, lieber Leser,
die Aktie vom mit Milliardenschulden belasteten Agrarhändler BayWa hat sich zuletzt wieder stabilisiert. Von ihrem Tiefstand bei 9,50 Euro am 24. Juli hat sie sich wieder auf aktuell knapp 14 Euro vorgearbeitet. Hintergrund: Ende Juli war ein möglicher Rettungsplan bekanntgeworden. Die Verhandlungen aber dauern offenbar noch an, das Sanierungsgutachten kommt wohl nicht vor Mitte September. Tatsache ist, dass die BayWa-Aktie in den vergangenen vier Wochen noch immer annähernd 40 Prozent an Wert eingebüßt hat. Wie es beim Unternehmen nun weitergeht, ist kaum vorhersehbar. Die Aktionäre haben Fragen, und die Landwirte auch. Antworten bekommen sie nicht.
Die Bauern haben Fragen an BayWa
Die BayWa-Schieflage werde immer mehr auch zum Politikum in Bayern, meldete etwa die Schwäbische Zeitung vor dem Wochenende. „Landwirte fürchten um Erntebezahlung und Altersversorgung“, heißt es. Bei der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) haben sich demnach viele Landwirte mit der Frage gemeldet, ob sie BayWa beliefern sollen.
- Viele Bauern seien zudem Kleinaktionäre des 100 Jahre alten Unternehmens, heißt es
- Durch einen Kapitalschnitt könnten diese große Teile ihrer Altersvorsorge verlieren
Es sei auch „unklar, ob die Landwirte Zugriff auf die Gelder haben, die im Rahmen von An- und Verkäufen bei der BayWa noch offen sind“, gibt die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) zu bedenken. Seit Mitte Juli ist bekannt, dass BayWa AG finanziell in Schwierigkeiten steckt. Die Schulden der BayWa AG werden auf eine Summe zwischen 5,5 und 5,8 Milliarden Euro geschätzt, während der letzte Jahresumsatz bei 27 Milliarden Euro lag. Dieser Schuldenberg entstand durch die weltweite Expansion des Unternehmens und den Einstieg in das Geschäft mit erneuerbaren Energien.
Hat BayWa zu spät informiert? Klagen angekündigt
Und die Kritik ist heftig: „Bei dieser astronomischen Summe der Finanzschulden ist es kaum vorstellbar, dass diese Krise nicht schon früher absehbar gewesen sein soll“, wird die stellvertretende bayerische AbL-Landesvorsitzende Lucia Heigl in dem Bericht zitiert. Der schwerwiegende Verdacht: Der Vorstand habe die erforderliche Pflichtmitteilung verschleppt. „Wir prüfen, ob die Öffentlichkeit zu spät und falsch über eine schon bestehende finanzielle Schieflage der BayWa informiert wurde, und behalten uns eine Klage vor“, wird Daniela Bergdolt von der DSW in Berichten zitiert.
Das bayerische Wirtschaftsministerium schweigt laut der Münchner Abendzeitung (AZ) zu dem heiklen Fall, obwohl in Berichten immer wieder von angeblichen Hilfszusagen des Freistaats die Rede sei. „Das Thema BayWa kommentieren wir nicht“, heißt es demnach aus dem Hause des bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Auch der größte Landwirtschaftsverband, der Deutsche Bauernverband (DBV), verhalte sich bislang still. Der Grund liege nahe: DBV-Präsident Joachim Rukwied ist Mitglied des BayWa-Aufsichtsrats. Ihm wird genauso Versagen vorgeworfen wie dem BayWa-Vorstand.
„Causa Baywa wird weitere Kreise ziehen“
Deutlich wird das Straubinger Tagblatt in einem Kommentar: „Etliche Beteiligten stehen ziemlich dumm da: Der amtierende Vorstand, der im Juni noch so tat, als sei alles in Ordnung“, heißt es. Und weiter: „Der ehemalige Vorstandsvorsitzende, der mit seinem Expansionskurs den Schuldenberg anhäufte und nun seinen (Wunsch-) Nachfolger des Versagens beschuldigt, und nicht zuletzt Bauernpräsident Joachim Rukwied, der im Baywa-Aufsichtsrat sitzt, aber offenbar die von ihm vertretenen Landwirte weder schützen noch warnen konnte.“ Man müsse zudem kein Agrarexperte sein, um vorauszusagen, „dass die Causa Baywa noch weitere Kreise ziehen wird“, so die Einschätzung der bayerischen Tageszeitung.
Doch beim hochverschuldeten Konzern mit seinen weltweit rund 24.000 Mitarbeitern ist laut der Süddeutschen Zeitung Geduld gefragt: Das Gutachten komme erst Mitte September, meldete die SZ am Mittwoch. Unterdessen werde jedoch das Geld knapp, wurden doch seit Tagen keine neuen Informationen über die Verhandlungen zwischen dem Unternehmen, den Großaktionären und den Banken bekannt.
Zerschlagung des Agrarkonzerns möglich
Grundsätzlich war Ende Juli eine Einigung erzielt worden, wonach die Bayerische Raiffeisen-Beteiligungs-AG, die 33,8 Prozent an BayWa hält, und die österreichische Raiffeisen Agrar Invest, die 28,3 Prozent der Anteile besitzt, dem Unternehmen 200 Millionen Euro bereitstellen. Die Gläubigerbanken sollen weitere 200 Millionen Euro beisteuern. Das Geld fließt allerdings nur unter strengen Auflagen, wie kurz darauf bekannt wurde. Es droht eine Zerschlagung von BayWa, wobei sich der Konzern auf seine Kernsegmente konzentrieren soll.
- Vor allem die Erneuerbare-Energie-Tochter BayWa r.e hatte das Unternehmen in Finanznot gebracht
- Ein Preisverfall für Solarmodule sowie Billigkonkurrenz aus China setzte den Bereich unter Druck
Analysten setzten BayWa-Kursziele aus
Wie es mit der BayWa-Aktie weitergeht, ist zugleich ein Buch mit sieben Siegeln. Schon kurz nach Bekanntwerden der Beauftragung eines Sanierungsgutachtens sahen sich etwa Warburg Research und die Privatbank Metzler nicht mehr in der Lage, die BayWa-Aktie einzuschätzen. Sie setzten ihre Bewertung der Papiere aus. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die BayWa-Aktie notiert derweil aus dem vergangenen Halbjahr mit mehr als 50 Prozent im Minus.
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