Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist gut eine Woche her, dass die Aktie von Atos zweistellig einbrach. Hintergrund war, dass der in Schieflage geratene, französische IT-Dienstleister am Montag der Vorwoche eine 720 Millionen Euro schwere Kapitalerhöhung abblies, „wegen des veränderten Marktumfeldes“, wie es hieß. Doch ganz offensichtlich machten die für die Maßnahme vorgesehene Banken nicht mehr mit, stattdessen sollten nun Gespräche über eine Umschuldung stattfinden. Die Atos-Aktie war zwischenzeitlich von rund 4,00 auf 2,30 Euro abgestürzt, hatte sich aber zuletzt wieder stabilisiert. Das kommt unerwartet – denn die Lage beim kriselnden Unternehmen spitzt sich offenbar zu.
Atos muss 2,25 Milliarden Euro aufbringen
Die Fakten: Bis Mai 2025 muss Atos laut Medienberichten 2,25 Milliarden Euro Schulden refinanzieren, 1,5 Milliarden davon sogar bereits bis Ende Januar 2025. Doch die geplante Bezugsrechtsemission in Höhe von 720 Millionen Euro, die von BNP Paribas und JP Morgan übernommen werden sollte, wurde überraschend abgesagt. Begründet wurde dies in einer Unternehmens-Mitteilung mit den veränderten Marktbedingungen. Deshalb seien die Konditionen der geplanten Bezugsrechtsemission „nicht mehr anwendbar“, so Atos.
- „BNP Paribas und JPMorgan sollten die Emission absichern – machen nun aber offenbar einen Rückzieher“, hieß es dazu beim Handelsblatt
- Nun sei offenbar daran gedacht, dass die Gläubiger Atos-Anteile übernehmen und im Gegenzug auf einen Teil der Kredite verzichten
Crédit Agricole soll aus Verhandlungen ausgestiegen sein
Anfang August 2023 hatte Atos laut des Branchendienstes Inside IT angekündigt, dass es einen Aktienverkauf im Wert von 900 Millionen Euro plane, um seine Bilanz zu stärken. Die jetzt abgeblasene Kapitalerhöhung sei Teil dieses Plans gewesen. Atos befinde sich nun „in Gesprächen mit seinen Kreditgebern über die Refinanzierung seiner Schulden“, wie das Unternehmen mitgeteilt habe. Man beantrage die Einsetzung eines unabhängigen Dritten (Ad-hoc-Mandat), so der Bericht. Dieser soll die Gespräche mit Banken unterstützen, um eine neue Vereinbarung zu erhalten, „die im besten Interesse des Unternehmens“ sei.
Doch nur wenige Tage nachdem die Gespräche überhaupt aufgenommen wurden, kam es nun laut Informationen der Financial Times (FT) zum nächsten Rückschlag: Die Crédit Agricole, einer der größten Gläubiger des IT-Dienstleisters, wolle sich zurückzuziehen, heißt es. Die französische Bank habe seit mehreren Wochen erklärt, dass man die Gruppe nicht mehr refinanzieren wolle, berichtete die FT vor dem Wochenende, laut Inside IT „unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen“. Die Bank sei zunehmend desillusioniert von Atos, heißt es. Mit möglicherweise fatalen Folgen.
Atos könnten weitere Kreditgeber abspringen
„Die Position von Crédit Agricole könnte Auswirkungen auf andere, kleinere ausländische Kreditgeber haben, die ebenfalls unschlüssig waren, der Gruppe erneut Kreditlinien zu gewähren“, wird aus dem FT-Bericht zitiert. Während die Verhandlungen mit den Banken also auf der Kippe zu stehen scheinen, gehen die Gespräche mit dem tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky über einen Verkauf der defizitären Beratungs-Sparte Tech Foundations offenbar weiter, wie Atos laut Handelsblatt erklärte. Ob sie in einen Vertrag mündeten, sei aber unsicher. Kretinsky sollte vor allem 1,9 Milliarden Euro Schulden übernehmen.
- Weitere Hoffnungen liegen darauf, dass der Verkauf der Cybersicherheitssparte BDS an den Airbus tatsächlich zustande kommt
- Der Flugzeugbauer will sich diese Sparte des kriselnden IT-Dienstleisters sichern, wie seit Anfang Januar bekannt ist
Airbus bietet für Atos-Tochter wohl bis zu 1,8 Milliarden
Airbus biete zwischen 1,5 und 1,8 Milliarden Euro für den Geschäftsbereich BDS (Big Data & Security), erklärte Atos zum Jahresbeginn. Auf dieser Basis sei man bereit, Airbus die Bücher der Sparte prüfen zu lassen. Der Flugzeugbauer bestätigte bislang lediglich das unverbindliche Übernahmeangebot. Laut Beobachtern aber haben große Datenmengen für die Luftfahrt eine wachsende Bedeutung.
Noch ist das alles aber nicht in trockenen Tüchern, die Anleger zeigten sich dennoch wieder etwas zuversichtlicher. Am Montag hatte sich die Atos-Aktie im Xetra-Handel um 2,25 Prozent auf 2,55 Euro verbessert. Mittel- und langfristig aber ist der Kursverlauf ein Desaster: Innerhalb eines Monats haben die Papiere mehr als die Hälfte an Wert eingebüßt. Das Minus seit ihrem Höchststand im März 2023 bei 15,77 Euro beläuft sich auf annähernd 85 Prozent.
Atos-Kursziele sind nichts mehr wert
Die derzeit aufgerufenen Kursziele, die marcetscreener.com auflistet, sind allesamt überholt, stammen sie doch noch aus der Zeit vor der geplatzten Kapitalmaßnahme und dem folgenden Kurssturz. So ist auch zu erklären, dass der mittlere Zielkurs von 5,17 Euro eine Verdopplung des Aktienwerts prognostiziert, während kein einziger der acht Beobachter die Atos-Aktie zum Kauf empfiehlt.
- drei Analysten rieten einst zum Halten der Papiere
- fünf hatten Atos schon zuvor auf der Verkaufsliste
Staat kündigte Unterstützung an
Dass das Unternehmen in die Insolvenz rutschen könnte, wie manche bereits spekulieren, ist dennoch eher unwahrscheinlich. Der französische Finanzminister Bruno le Maire hatte bereits in der vergangenen Woche erklärt, dass der Staat bereit sei, Atos finanziell zu unterstützen. Das liegt zweifellos an den mehr als 10.000 französischen Arbeitsplätzen (weltweit sind es über 100.000), die das Unternehmen bis dato bereithält. Mindestens genauso wichtig: Atos betreut mehrere bedeutende IT-Projekte in Frankreichs Verteidigungsindustrie.
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