Nach ersten Börsenerfahrungen, möchten viele Anleger ihr Vermögen strategischer und gezielter investieren. Da stellt sich die Frage, welches die im Vergleich beste Anlagestrategie ist. Gegensätzliche oder kombinierbare Börsenstrategien kommen für das Portfolio infrage. Bekannte Anlageansätze sind:
- Growth Aktien / Wachstumsstrategie
- Trendfolge-Ansatz
- Contrarian / Antizyklisches Investment
- Dividendenstrategie
- Value-Investing
Die zuletzt genannte Value-Strategie war in den Monaten der Corona-Pandemie und dem zeitweisen Kurseinbruch wieder verstärkt im Gespräch. Doch welche Aktien eignen sich anhand welcher Unternehmenskriterien und wie finden Anleger dann die passenden Aktien für dieses Konzept? Darum geht es im Folgenden.
Was sind Value-Aktien?
Das Value-Investing lässt sich ansich einfach beschreiben. Bei diesem Investmentansatz wird langfristig auf Unternehmen gesetzt, die einen hohen, inneren Wert, eben einen Value, besitzen. Gleichzeitig sollen diese Substanzwerte zu einem niedrigen Aktienkurs erworben werden.
Der Aktienkurs ist auch relativ zu anderen Börsenunternehmen zu sehen. Gerade im Vergleich mit Wettbewerbern einer Branche lassen sich besonders günstige, unterbewertete Unternehmen ermitteln. Auch Branchenbenchmarks geben gute Hinweise, die Zahlen eines Unternehmens korrekt zu interpretieren.
Begründer des Value-Investings
Fundamentale Unternehmenskennzahlen als Basis der Aktienauswahl hat Benjamin Graham aus London populär gemacht. Das Buch des Aktienanalysten und Hochschulprofessors mit dem Titel „The Intelligent Investor“ aus dem Jahr 1949 gilt als Standardwerk und Investment-Bibel. Der Bestseller vermittelt die Grundsätze, um mit einer Value-Strategie Vermögen aufzubauen.
Graham ging davon aus, dass Aktienkurse das Ergebnis von Übertreibungen und Untertreibungen eines ineffizienten Aktienmarktes sind. Die Unternehmensanteile werden rational betrachtet zu teuer oder zu billig gehandelt. Nach der Überzeugung des Wallstreet-Analysten nähern sich die Aktienkurse jedoch langfristig der fairen, fundamentalen Unternehmensbewertung an. Die passenden Aktienwerte für diese Buy-and-Hold-Strategie gilt es zu finden.
Unterbewertete Börsen-Unternehmen finden
Graham war durch und durch Analyst. Es ging ihm darum, den inneren Wert von Unternehmen (intrinsic value) möglichst objektiv zu ermitteln und vergleichbar zu machen. In der fundamentalen Wertpapieranalyse setzten seine Anhänger auf mehrere Kenngrößen. Dazu gehören:
- Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)
- Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV)
- Kurs-Cash Flow-Verhältnis (KCV)
- Gewinnwachstum
- Dividendenrendite
- Verschuldungsgrad
Schon ohne ins Detail zu gehen, lassen die Bewertungsgrößen erkennen, welche Unternehmen grundsätzlich als Value-Wert taugen. Sie müssen profitabel sein und wachsende Gewinne erwirtschaften. Ein Teil der Gewinne müssen an die Shareholder als Dividenden ausgezahlt werden. Somit handelt es sich eher um etablierte Unternehmen ohne allzu großen Investitionsdruck. Außerdem wird eine solide Finanzierung, also auf einen überschaubaren Schuldenstand, geachtet.
Dominierende, profitable Firmen
Junge Wachstumsunternehmen im Technologiesektor, die erst in ferner Zukunft Gewinne erwarten, passen nicht zur Value Strategie. Vielmehr bieten sich große, breit aufgestellte Unternehmen an, die seit Jahrzehnten einen Markt dominieren, bestenfalls als Marktführer. Außerdem müssen die „Dickschiffe“ Produkte und Dienstleistungen anbieten, die weiterhin zukunftsfähig sind.
Für die relevanten Unternehmens-Kenngrößen haben sich Richtwerte etabliert. Sie helfen bei einer ersten Einschätzung. Doch aussagekräftiger sind direkte Vergleiche möglicher Value-Kandidaten in einem Ranking. Solche Listen zeigen, welche Shares bezogen auf ausgewählte Kennziffern mit Discount zu bekommen sind. Das soll das Verhältnis von Chancen und Risiken verbessern. Folgende Kennzahlen helfen, die Top Aktien zu finden,
Kurs-Gewinn-Verhältnis
Die geläufigste Unternehmenskennzahl für Börsenunternehmen ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Um es zu berechnen, wird der aktuelle Aktienkurs durch den Vorjahresgewinn geteilt. Das KGV entspricht, kurz gesagt, der Anzahl an Jahresgewinnen, die notwendig wären, um den heutigen Aktienwert zu erreichen. Während Wachstumswerte (Growth Stocks) hier manchmal vierstellige Werte aufweisen, sollte der KGV einer unterbewerteten Value-Aktie unter zehn liegen.
Kurs-Buchwert-Verhältnis
Das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) lässt erkennen, wie viel eine Aktie in Bezug zum Eigenkapital des Unternehmens kostet. Dafür wird das Gesamteigenkapital durch die Aktienanzahl geteilt. Das Resultat ist der Betrag an Eigenkapital, der hinter einer einzelnen Aktie steht.
Der Aktienkurs wird dann durch diesen Betrag geteilt. Liegt der Koeffizient unter eins, dann kostet das Börsenpapier weniger als das Kapital pro Aktie. Das spricht für eine Unterbewertung und der Anleger bekommt Substanz für sein Geld.
Kurs-Cashflow-Verhältnis
Weiterhin interessant ist das Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCV). Dabei ist darauf zu achten, dass der KCV mit dem operativen Cash Flow berechnet wird, denn es soll die gewöhnliche Geschäftstätigkeit betrachtet werden. Der Betrag wird durch die Anzahl der börsengehandelten Aktien (Freefloat) geteilt. So ergibt sich der Operating Cashflow je Aktie. Schließlich wird der aktuelle Aktienkurs oder auch der 30-Tage-Aktienkursdurchschnitt durch diesen Wert geteilt. Liegt der KCV unter vier, erfüllt das eine Vorgabe für Value-Aktien.
Gewinnwachstum
Auch wenn Value-Jäger längst etablierte Unternehmen ins Visier nehmen, sollte der Gewinn eines werthaltigen Unternehmens dennoch jedes Jahr um zehn Prozent oder mehr wachsen. Das zeigt, dass es dem Unternehmen gelingt, Kosten zu senken, neue Regionen zu erschließen oder seine Wertschöpfung horizontal oder vertikal auszubauen. Das kann beispielsweise mit Produktvariationen für neue Zielgruppen geschehen.
Dividendenrendite
An dem wachsenden Gewinn wollen Value-Investoren angemessen beteiligt werden. Deshalb ist die Dividendenrendite eine entscheidend für das Stock Picking. Die Kennzahl sagt, wie viel Prozent Gewinnausschüttung bezogen auf den aktuellen Aktienkurs jährlich zu erwarten sind. Seit es praktisch keine Sparzinsen mehr gibt, werden Dividenden häufig als „neuer Zins“ bezeichnet. In Kombination mit dem geforderten Gewinnwachstum sollte das Unternehmen die Dividendenzahlungen Jahr für Jahr erhöhen. Insofern lassen sich Value-Anlagestrategie und Dividenden-Strategie gut kombinieren. Eine weitergehende Betrachtung liefert zudem der Gesamtgewinn je Aktie.
„Adelstitel“ von Dividenden-Aktien
Dividenden-Könige | Börsenunternehmen, die seit mindestens 50 Jahren eine jährlich steigende Dividende ausschütten. |
Dividenden-Aristokraten | Börsenunternehmen des S&P500-Index mit mehr als 3 Mrd. US-Dollar Marktkapitalisierung, die seit mindestens 25 Jahren eine jährlich steigende Dividende ausschütten. |
Dividenden-Champions | Börsenunternehmen, die seit mindestens 25 Jahren eine jährlich steigende Dividende ausschütten. |
Dividenden-Contender | Börsenunternehmen, die seit mindestens 24 Jahren eine jährlich steigende Dividende ausschütten. |
Dividenden-Challenger | Börsenunternehmen, die seit mindestens 9 Jahren eine jährlich steigende Dividende ausschütten. |
Verschuldungsgrad und Eigenkapitalquote
Schließlich wird auf den Verschuldungsgrad (Debt Ratio) geschaut. Der Anleger möchte wissen, wie viele Krediten und Verbindlichkeiten er in Kauf nimmt. Die Kennzahl setzt das Fremdkapital mit dem Eigenkapital ins Verhältnis. Zu den Belastungen auf Fremdkapitalseite zählen dabei beispielsweise auch Pensionsrückstellungen. Ergänzend zum Verschuldungsgrad besitzt auch die Eigenkapitalquote eine ähnliche Aussagekraft. Sie steht für den Anteil an Eigenkapital vom Gesamtkapital des Unternehmens.
Privatanleger haben naturgemäß keine Zeit ständig haufenweise Geschäftsberichte aller möglichen Value-Kandidaten zu wälzen. Glücklicherweise liefern Websites und Börsentools von Onlinebrokern und Börsenportalen die relevanten Kennzahlen. Insbesondere empfiehlt sich hier eine Suche nach „Stock Screener Value Aktien“.
Investmentlegende Warren Buffett
- Genannt „Orakel von Omaha“
- Geboren 1930 in Nebraska
- Erster Aktienkauf als 11-Jähriger
- Millionär mit 32 Jahren
- Vermögen >85 Mrd. USD
(Quelle: Wikipedia)
Um schnell und ohne großes Rechnen Value-Aktien zu finden, lohnt sich der Blick in bestehende Value-Depots und -Fonds. So wird die amerikanische Investoren-Legende Warren Buffet stets als treuer, langfristiger Value-Investor genannt.
Der Großinvestor und mehrfache Milliardär studierte und arbeitete einst beim Vordenker Benjamin Graham. Buffett investiert seit Jahrzehnten mit seiner Vermögensverwaltung Berkshire Hathaway. Anteile an dem Unternehmen werden übrigens als teuerste Aktie der Welt an den Börsen gehandelt. Der Stückpreis lag Ende Juni 2021 bei sagenhaften 360.000 Euro.
Blick ins Buffett-Depot
Und wie vermehrt das Unternehmen das Anlagevermögen: Zum Beispiel mit großen Unternehmen, unter anderem aus dem US-amerikanischen Börsenindex Dow Jones. Der US-Sender CNBC gibt Warren Buffet hat diese Aktien im Depot. Zuletzt standen diese Aktien an den Top Positionen:
- Apple
- Bank of America
- American Express
- Coca-Cola
- Kraft Heinz
- Verizon Communications
- Moody’s
- US Bancorp
- BYD Company
- DaVita Inc.
Außerdem greifen Fondsanbieter gern den Wunsch von Privatanlegern auf, Aktien nach ganz bestimmten Anlagegrundsätzen auszuwählen. Solche Factor-Fonds gibt es zu vielen Strategien, auch einige ETF für das Value-Investing. Die Value-ETF sind auf zwei Arten nutzbar: Anleger können schauen, auf welche Value-Aktien der ETF in seinem Portfolio setzt.
Zusammensetzung von Value-ETF
Die Top-Investments sind eine gute Grundlage, um Einzelwerte für ein eigenes Value-Portfolio auszuwählen. Noch bequemer und mit größerer Risikostreuung können Anleger direkt in einen der ETF investieren. Die aufgelisteten Value-Fonds sind kostengünstig und die ausgewiesenen Fünf-Jahres-Kursgewinne liegen zwischen 27 bis gut 119 Prozent (Stand Juni 2021).
Krisen bieten Investment-Chancen
Der Einstieg in die Value-Investing-Strategie sollte mit Geduld erfolgen. Das gilt für Einzelwerte, aber noch mehr für Value-Fonds. Denn die Kurscharts zeigen starke Schwankungen. Offenbar gibt es immer wieder Phasen wie die Corona-Krise, in denen Value-Aktien insgesamt in die gewünschte Unterbewertung rutschen. Hier liegt der Schluss nahe, dass die Aktien solider Substanzwerte in Krisenmomenten tatsächlich vom allgemeinen Marktumfeld ungerechtfertigt stark in die Tiefe gerissen werden. Das sind die Einstiegschancen, die Graham, Buffett und ihre Anhänger nutzen.
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