Als Amazon am 3. Februar seine Jahreszahlen vorlegte, stieg der Börsenwert des Tech-Giganten an nur einem Handelstag um 190 Milliarden US$. Das hat noch nie ein US-Unternehmen zuvor geschafft. Was die Anleger derart verzückt hat: Dank der Beteiligung am E-Auto-Bauer Rivian und dem boomenden Cloud-Geschäft präsentierte das Unternehmen ein deutlich besseres Ergebnis als erwartet.
Der Börsenwert des Unternehmens aus Seattle hat sich damit in den vergangenen zwei Jahren nahezu verdoppelt. Die Aktie erreichte im Herbst Kurse von über 3.600 US$. Für Kleinanleger ist es immer schwieriger geworden, sich am Unternehmen zu beteiligen ohne ein Klumpenrisiko im Depot, also eine zu starke Abhängigkeit von einem einzigen Titel.
20:1-Aktiensplit und Rückkauf
Daher will der Online-Konzern seine derzeit knapp über 2.900 US$ teure Aktie für Kleinanleger nun erschwinglicher machen und plant seinen ersten Aktiensplit seit 23 Jahren – im Verhältnis 20:1. Das Manöver soll am 6. Juni erfolgen, die Hauptversammlung muss dem Schritt am 25. Mai noch zustimmen. Amazon folgt damit der Google-Mutter Alphabet, die vor einem Monat einen Aktiensplit für Juli angekündigt hat.
Zugleich gab Amazon bekannt, dass der Verwaltungsrat einem Aktienrückkaufprogramm im Umfang von zehn Milliarden Dollar zugestimmt habe. Beide Schritte deuten darauf hin, dass der E-Commerce-Riese in Zukunft bessere Cashflow-Margen erzielen wird und dass das Unternehmen einen Wert in seiner Aktie sieht.
An der Börse haben die Ankündigungen am Freitag bereits die von Amazon erhoffte Wirkung gezeigt: Die Aktie legte um 5,4% auf 2936 US$ zu. In den vergangenen 6 Monaten ist der Titel jedoch weiterhin über 16% im Minus.
Viele Gründe für die Aufspaltung
Der Split senkt den Preis einer Amazon-Aktie auf rund 145 US$ und macht das Papier damit optisch deutlich günstiger. Das erhöht die Liquidität der Anteilsscheine und macht sie für ein breiteres Spektrum von Anlegern zugänglich. Der Amazon-Titel wird zudem interessanter für Termingeschäfte, da der Aktiensplit erheblich den Preis pro Kontrakt für den Handel mit Optionen senkt.
Hinzu kommt: Historisch gesehen sind Aktiensplits bullisch. Sämtliche Studien kommen zu dem Fazit, dass gesplittete Werte kurzfristig besser laufen als der Markt: Ein Jahr später weisen sie eine durchschnittliche Rendite von 25% auf gegenüber 9% für den Gesamtmarkt. Auch Apple, Tesla und Nvidia haben seit 2020 Splits durchgeführt.
Für Amazon ist die Aufspaltung somit eine Möglichkeit, der eigenen Aktienperformance in einer schwierigen Marktphase einen Schub zu verpassen. Am Dienstag hatte der Titel des Online-Konzerns den niedrigsten Schlussstand seit Juni 2020. Seit Mitte November ist das Papier inmitten der allgemeinen Schwächephase von Tech- und Wachstumswerten über 20% im Minus.
Wie schon bei der Aktienaufspaltung von Alphabet spekulieren Anleger, dass der Schritt der Amazon-Aktie den Weg in den Dow Jones Industrial Average ebnen könnte. Da der Dow ein preisgewichteter Index ist, kommen Unternehmen mit einem hohen Aktienkurs nicht in den US-index. Sie müssen ihre Anteilsscheine erst splitten, wie es der Tech-Riese Apple vor seinem Dow-Aufstieg praktiziert hat.
Nur auf den ersten Blick starke Zahlen
Ein genauer Blick auf die jüngsten Jahreszahlen zeigt, dass bei Amazon längst nicht alles wie geschmiert läuft. Im Schlussquartal hat der Online-Marktplatz das Nettoergebnis gegenüber dem Vorjahreszeitraum zwar auf 14,3 Milliarden US$ nahezu verdoppelt. Das hat der Konzern jedoch nicht seinem Kerngeschäft oder seiner Streaming-Plattform Prime zu verdanken: Das Gros des Überschusses (11,8 Milliarden US$) entfällt auf einen Sonderertrag aus der Rivian-Beteiligung. Der Elektroautobauer ist im November mit einer gigantischen Bewertung von 60 Milliarden US$ an die Börse gegangen.
Sein glanzvolles Ergebnis verdankt der E-Commerce-Riese damit einmal mehr einer nicht unriskanten Wette. Insgesamt waren die Jahreszahlen nicht so stark, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. So fiel im Schlussquartal der operative Gewinn von 6,9 auf 3,5 Milliarden US$. Im Gesamtjahr zeigte sich im Vorjahresvergleich auch der operative Cashflow deutlich schwächer: Er sank um 30% auf 46,3 Milliarden US$. Der Free Cashflow war sogar mit 9,1 Milliarden US$ negativ.
Amazon musste Arbeitsplätze schaffen und Löhne erhöhen, um weiterhin seinen Service zu garantieren. Dabei hat sich das Unternehmen nicht gescheut, einen hohen Personalkostenblock in Kauf zu nehmen. Zudem belasteten auch Lieferengpässe und Corona-Einschränkungen das Kerngeschäft.
Bei der Videoplattform Prime machten sich hohe Investitionen bemerkbar. Dabei geht es um den Aufbau des Filmrechteportfolios und um eigenen Serienproduktionen. Um die Verluste einzugrenzen, hob Amazon für US-Kunden den Preis an von 119 auf 139 US$ im Jahr. In Europa ist der Service mit weltweit rund 200 Millionen Abonnenten noch deutlich billiger.
Neben dem Rivian-Deal hat auch die Cloud-Sparte AWS dazu beigetragen, die Schwäche im Streaming- und Kerngeschäft aufzufangen. Der Umsatz des Segments stieg um 40% auf 17,7 Milliarden US$, das Ergebnis sogar noch stärker: um 48% auf 5,3 Milliarden US$.
Kursperformance abhängig von Cloud-Geschäft und Rivian
Für Analysten sind Amazons Herausforderungen bei Prime und im E-Commerce eher vorübergehender Natur. Alle 51 von Marketscreener erfassten Experten raten derzeit zum Kaufen (37) oder Aufstocken (14), kein einziger zum Halten, Reduzieren oder Verkaufen.
Der Titel ist jedoch derzeit mit einer 60-fachen Gewinnbewertung (Vorwärts-KGV) weiter äußerst hoch bewertet. Ein Crash ist zwar sehr unwahrscheinlich, ebenso sind es jedoch auch deutliche Kurssprünge – trotz des angekündigten Aktiensplits.
Während das Kerngeschäft und Prime in nächster Zeit weiter stocken dürften, bleibt AWS das Sahnestück von Amazon. Die florierende Sparte unterstützt den Aktienkurs neben dem starken Wachstum mit Fantasien hinsichtlich eines eigenen Börsengangs. Sollte der Wachstumsmotor jedoch ins Stottern geraten, droht Ungemach. Auch eine schlechte Performance der E-Auto-Aktie Rivian könnte Druck auf den Online-Riesen erzeugen.
Anlegern muss daher bewusst sein: Die gleichen Themen, die den Börsenwert des Unternehmens an einem Tag um 190 Milliarden US$ nach oben geschraubt haben, könnten bei den kommenden Finanzberichten einen Crash in der gleichen Größenordnung verursachen.
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