Liebe Leserin, lieber Leser,
Amazon erlebt derzeit unruhige Zeiten. Das zeigt sich unter anderem an der Börse, wo die Papiere des US-Handelsriesen hin und her geworfen werden. Vor gut einer Woche kratzten sie noch an der 100-Dollar Marke, nur um vor dem Wochenende an der Nasdaq bis auf rund 93 US-Dollar zurückzufallen. In Großbritannien nämlich rumort es. Mittlerweile hat sich die Amazon-Aktie wieder stabilisiert, ging in New York zuletzt bei gut 97 Dollar aus dem Handel. Daran hatte eine aktuelle Analysteneinschätzung sicherlich ihren Anteil.
UBS senkt Amazon-Kursziel – und rät zum Kauf
Es war die Schweizer UBS, die das Kursziel für Amazon am Mittwoch zwar gesenkt hatte, allerdings nur von 121 auf 118 US-Dollar. Die Einstufung blieb entsprechend auf „Buy“, erwartet Analyst Lloyd Walmsley doch ein Kursplus von gut 20 Prozent. Allerdings schraubte er seine Erwartungen an die Cloud-Sparte Web Services im ersten Quartal herunter.
Insgesamt sind die Experten bei Amazon weiter recht zuversichtlich. Aus zehn Analysen, die bei finanzen.net derzeit aufgeführt werden, geht nicht eine von einem rückläufigen Kurs aus. Das gilt auch für alle Häuser, die sich im Januar bislang gemeldet haben.
Kursziel | Kurspotenzial | |
UBS | 118,00 US-Dollar | +21,42% |
Bernstein Research | 125,00 US-Dollar | +28,63% |
Jefferies | 125,00 US-Dollar | +28,63% |
Analysten langfristig zuversichtlich
Das US-Analysehaus Bernstein Research etwa hatte die Einstufung für Amazon zuletzt auf „Outperform“ belassen. 2024 beginne für den US-Internetsektor mit Rezessionsgefahren, aber es gebe auch Grund für vorsichtigen Optimismus, begründete Analyst Nikhil Devnani seine positive Einschätzung. Die Bewertungen seien „inzwischen auf einem vernünftigen Niveau angekommen, die Erwartungen zurückgeschraubt worden“. Als Anhänger der Fundamentalanalyse glaube er aber an den langfristigen Rückenwind und an die Umsatzchancen, angefangen beim Online-Handel bis zur Cloud.
Das Analysehaus Jefferies hatte das Kursziel für die Amazon-Aktie kurz zuvor in einem Ausblick auf den US-Internetsektor 2024 von 135 auf 125 US-Dollar gesenkt, aber die Einstufung auf „Buy“ belassen. Sein „Top Pick“ sei die Facebook-Mutter Meta, bekannte Analyst Brent Thill.
- Die Aktie des Online-Händlers Amazon dagegen sei „eine Investment-Story für die zweite Jahreshälfte“
- Dann rechnet Thill mit nachlassendem Kostengegenwind, was die Schätzungen antreiben dürfte
Amazon-Mitarbeiter legten Arbeit nieder
Von den aktuellen Verwerfungen für den E-Commerce-Giganten war zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nichts zu ahnen. Denn erstmals streikten nun Amazon-Mitarbeiter in Großbritannien. Nach monatelangem Ringen um faire Löhne legten die Beschäftigten eines Verteilerzentrums am Mittwoch ihre Arbeit nieder, wie unter anderem die Rheinische Post berichtete. Nach Angaben der Gewerkschaft GMB wollten sich rund 300 Beschäftigte in Coventry an dem Arbeitskampf beteiligen.
Amazon hatte laut des Berichts 2022 die Einstiegsgehälter in seinen rund 30 Lagerhäusern in Großbritannien um umgerechnet 0,56 Cent auf ein Minimum von 11,86 bis 12,94 Euro pro Stunde angehoben. Der britische Mindestlohn, der derzeit umgerechnet bei 10,74 Euro pro Stunde liegt, soll demnach im April auf 11,78 Euro steigen.
Vorwürfe durch die Gewerkschaften
Gewerkschaftler warfen dem Konzern im Gespräch mit der Nachrichtenseite der BBC vor, selbst Roboter besser zu behandeln als die eigenen Angestellten. „Wenn wir die Arbeit unterbrechen, wollen sie sofort wissen, warum“, wird Gewerkschaftsvertretet Garfield Hilton beim Nachrichtensender n-tv zitiert. Sogar ein Toilettengang von einigen Minuten könne Fragen aufwerfen, da er im System registriert werde. „Die Gewerkschaft GMB rief deswegen am Morgen ihre Mitglieder auf, die Arbeit am Abfertigungszentrum in Coventry niederzulegen – weitere Standorte könnten folgen“, so der Bericht.
Zwei Arbeiter sagten demnach der BBC, dass einige ihrer Kollegen bis zu 60 Stunden pro Woche arbeiten würden, um die gestiegenen Lebenshaltungskosten auszugleichen. Amazon wolle, dass „der Nutzen jeder Minute in dem Gebäude maximiert wird“. Ein Amazon-Sprecher verteidigte demnach auf BBC-Anfrage das System: Es würdige gute Performance und helfe Angestellten, ihre Ziele zu erreichen.
Amazon gibt Standort Regensburg auf
Der in Schieflage geratene US-Konzern versucht derweil an allen Fronten, gegenzusteuern. Auch in Deutschland. Denn nach Informationen des Merkur wird Amazon den Standort Regensburg für die Kundenbetreuung schließen. Das berichtet die Zeitung laut Golem unter Berufung auf Beschäftigte, die am 25. Januar 2024 in einer vertraulichen Mitarbeiterversammlung informiert worden seien. „Entlassen werden 48 Beschäftigte, die nicht in der Kundenbetreuung tätig sind“, heißt es. Rund 250 Mitarbeiter sollen künftig bei Amazon VCC den Kundenservice aus dem Homeoffice heraus übernehmen.
„Einen Stützpunkt zur Eroberung des europäischen Marktes aufbauen – das wollte Amazon-Gründer Jeff Bezos, als er 1998 den ABC Bücherdienst in Regensburg kaufte und in der Junkerstraße Stadtosten den ersten Amazon-Standort auf dem europäischen Kontinent eröffnete“, heißt es auf merkur.de. Von dort aus seien maßgebliche Standards der heutigen Kundenbetreuung von Amazon entwickelt worden. Von Regensburg aus liefem zudem der IT- und Hardwareversand für Beschäftigte in der Kundenbetreuung in ganz Europa. „Doch damit ist es nun vorbei.“
Amazon-Aktie hat noch viel aufzuholen
Dass Amazon auf die Kostenbremse tritt, hat diverse Gründe. Die Anleger hatten das zuletzt wieder honoriert: Im zurückliegenden Monat hat die Aktie immerhin wieder um rund 15 Prozent zugelegt. Das Minus aus dem vergangenen Vierteljahr beläuft sich allerdings noch immer auf gut 20 Prozent. Seit Januar 2022 hat Amazon gar ein Drittel an Börsenwert eingebüßt.
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