Die Allianz hat am Freitag kräftig aufgeholt und sich einen Aufschlag von 6,7 % genehmigt. Im Kontext der gesamten Dax-Entwicklung war dies leicht überdurchschnittlich. Besonders interessant ist der Titel jedoch aus ganz anderen Gründen…
Allianz: Vor und nach Corona
Die Allianz hätte für das laufende Geschäftsjahr den Erwartungen nach gute Zahlen präsentieren können. Die dürften etwas schlechter ausfallen, wobei das Ausmaß der Abschläge noch nicht hinreichend zu beziffern ist. Denn:
Die Allianz lebt zum einen von recht gut kalkulierbaren Prämien, die Versicherte einzahlen. Zum anderen aber muss das Unternehmen auch von den Geldanlagen leben. Das bedeutet: Die Aktienkursentwicklung reduziert automatisch die Erwartungen an das laufende Jahr. Dennoch dürfte das Unternehmen insgesamt bei weitem nicht so stark verlieren, wie es eine Kursentwicklung von -33 % innerhalb von drei Monaten anzudeuten scheint. Deshalb lohnt sich – trotz Corona und der Ungewissheit über die Gesamtsituation – ein Blick hinter die Finanzdaten.
Zunächst jedoch ist wichtig, den Kursanstieg am Freitag richtig einzuordnen. Dieser soll a) als Gegenreaktion auf den schwächsten Dax-Tag aller Zeiten (!) gelten. Das wiederum wäre aus technischer und aus charttechnischer Sicht verständlich und auch üblich. Zudem aber b) hat die Bundesregierung angekündigt, die Unternehmen in Deutschland wegen der Corona-Problematik praktisch grenzenlos zu unterstützen. Es wird Kredite geben, die als Überbrückung in schwierigen Zeiten die Wirtschaft vorantreiben sollen. Deshalb hat sich das gesamte Erscheinungsbild der deutschen Großunternehmen am Freitag im Vergleich zu den Vortagen deutlich gewandelt. Der Trend ist relativ betrachtet deutlich positiver. Das heißt: Die Allianz profitiert von allgemein besseren Stimmungs-Daten. Noch ist keine Trendwende der individuellen Bewertung in Sicht.
Dennoch: Bewerten wir die Daten „vor“ dem Ausbruch der Corona-Krise bzw. in einigen Punkten auch bezogen auf das zuletzt abgeschlossene Geschäftsjahr 2019. Diese Daten können Ausgangspunkt einer noch nicht abschätzbaren Korrektur der wirtschaftlichen Entwicklung sein. Die Allianz hat einen Umsatz in Höhe von 112,5 Milliarden Euro erwirtschaftet. Dies ist bezogen auf den Börsenwert derzeit einem Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) von weniger als 0,6 gleichzusetzen. Das heißt: Die Aktie ist nach konventionellem Verständnis deutlich unterbewertet.
Das aktuell auf Basis des zuletzt gemeldeten Buchwerts zu schätzende Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) liegt bei ziemlich genau 1. Dies ist im Kontext sonstiger Bewertungen ebenfalls (sehr) günstig. Die Aktie weist zudem einen für 2019 noch zu erwartenden Gewinn in Höhe von gut 20 Milliarden Euro aus. Das entspricht aktuell einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von weniger als 7,5. Auch dies ist im historischen Kontext und im Vergleich zu anderen Branchenwerten sehr günstig. Die Gewinne sollen im laufenden Geschäftsjahr auf mehr als 21 Milliarden Euro steigen. Dies wiederum dürfte sich als schwierig erweisen. Wenn wir mit einem Abschlag von 20 % arbeiten, dann würde die Allianz noch einen Gewinn von etwa 17 Milliarden Euro erzielen. Dies entspräche einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von weniger als 5. Die Aktie wäre aus dieser Sicht ausgesprochen günstig – wenn nicht gar deutlich unterbewertet.
Schließlich wird für das Jahr eine Dividenden von 10,2 Euro erwartet. Selbst wenn diese um 20 % gekürzt würde, um das Kapital in der schwierigeren Situation 2020 einzusetzen, käme die Allianz noch auf eine Dividendenrendite in Höhe von mehr als 5 %. Dies ist im Vergleich herausragend. Ob die Hauptversammlung am 6. Mai stattfinden wird, darf indes als offen gelten – das Versammlungsverbot in Bayern (für größere Gruppen) könnte bis dahin anhalten. Dann wäre die Dividende allerdings nicht verloren. An sich muss die HV dann bis Ende August nachgeholt werden. Selbst, wenn dies unterbliebe, ist die Beteiligung der Aktionäre nicht „verschwunden“, es wäre damit zu rechnen, dass diese verschoben würde. Denn die Aktionäre müssen eines Tages über die Gewinnverwendung für 2019 selbst entscheiden dürfen.
Also: Das Unternehmen ist ausgesprochen günstig bewertet. Dabei allerdings ist der Wert charttechnisch und technisch betrachtet (der GD200 verläuft bei 212,37 Euro) klar im Abwärtstrend. Sofern der Wert zumindest die Marke von 180 Euro erreicht, sehen zumindest die Chartanalysten wieder ein deutlich positives Kursziel. Wirtschaftlich betrachtet jedoch scheint der Wert unterbewertet.
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