Liebe Leser,
Siemens Energy hat in der zurückliegenden Woche die 2. Gewinnwarnung in diesem Jahr abgegeben. Die Windturbinen-Tochter Siemens Gamesa habe einen Rückschlag erlitten, der heftiger sei, als das Management erwartet habe. Demnach soll ein milliardenschwerer Verlust auftreten. Doch genaue Angaben kann selbst das Management noch nicht machen. Im Anschluss sackte die Siemens Energy-Aktie zeitweise um 35 Prozent ab! Auf einen Schlag wurde somit eine Marktkapitalisierung von 6,3 Milliarden Euro gelöscht. Ein absolutes Horrorszenario für alle Beteiligten. Doch wie sollten sich Anleger nun verhalten? Mit dieser Frage beschäftigen wir uns in der heutigen Ausgabe der Aktie des Tages. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen.
Ein Fass ohne Boden!
Die Probleme der Windturbinen-Tochter Siemens Gamesa sind offenbar doch noch größer als erwartet! Selbst der CEO von Siemens Energy sagte zu den neusten Meldungen: „Der Rückschlag ist heftiger, als ich es für möglich gehalten hätte“. Nun wurde wegen unerwartet hoher Kosten und einigen Qualitätsproblemen die Ergebnisprognose zurückgezogen. Das Management rechnet mit zusätzlichen Kosten in Milliardenhöhe – ein Horror für alle Beteiligten. Allerdings müssen wir verstehen, dass der Konzern bereits zuvor (!) einen kumulierten Nettoverlust von über 800 Millionen Euro prognostiziert hatte.
Jetzt werden allen Anschein nach qualitätsbezogenen Maßnahmen vollzogen, wodurch Kosten von über 1 Milliarde Euro entstehen könnten. Doch konkretisieren konnte das Management bei der Mitteilung die Höhe der Aufwendungen nicht. Weitere Informationen sollen dann mit den Zahlen zum 3. Quartal bekannt gegeben werden. Es gebe darüber hinaus immer noch Schwierigkeiten beim Hochschrauben der Fertigungskapazitäten im Offshore-Bereich. All diese Faktoren haben nun dazu geführt, dass die Gewinnprognose für Siemens Gamesa und damit auch von Siemens Energy zurückgenommen werden mussten.
6,3 Milliarden Euro Marktkapitalisierung gelöscht!
Bei der Veröffentlichung der Zahlen zum 2. Quartal Mitte Mai hatte Siemens Energy noch eine bereinigte Ergebnismarge von 1 bis 3 Prozent in Aussicht gestellt. Nach Steuern sollte dennoch ein Verlust von 712 Millionen Euro in den Büchern stehen. Auf der Wachstumsseite hat man mit einer Spanne zwischen 10 und 12 Prozent gerechnet. Diese Zahlen sind nun Geschichte. Selbst das Management kann nicht quantifizieren, wie drastisch die Lage ist. Hier möchte ich direkt etwas hinzufügen: Wenn selbst der Führungsstab nicht einschätzen kann, wie schlecht die Lage wirklich ist, wie sollen es dann die Händler können?
Doch diese Unsicherheit hat für ein Beben gesorgt. Die Siemens Energy-Aktie korrigiert zeitweise um knapp ein Drittel. Umgerechnet wurden somit circa 6,3 Milliarden Euro der Marktkapitalisierung des Unternehmens gelöscht. Ein JP Morgan Experte hat sich dazu auch zu Wort gemeldet. Sinngemäß sagte dieser: Wenn man die Geschichte der Branche ansehe, sei die Gewinnwarnung keine vollständige Überraschung. „Aber was uns überrascht hat, ist die Größenordnung“, erklärten die Experten.
Wie kann das passieren?
Am Anfang des Jahres hatte Siemens Gamesa noch erklärt, dass man eine halbe Milliarde Euro für Garantie- und Wartungskosten zurückstelle. Der Hintergrund dabei war, dass Teile an den Windrädern häufig ausfielen. 500 Millionen Euro reichen dafür jedoch nicht aus. Der Siemens Gamesa-Chef sagte passend dazu: „Die Qualitätsprobleme gehen deutlich über das hinaus, was bisher bekannt war“. Demnach hätte eine Analyse gezeigt, dass Komponenten wie Lager oder Rotorblätter fehlerhaft seien. Insgesamt sei das Ergebnis der Untersuchung deutlich schlechter als erwartet. Einige Designprobleme sollen das Problem befeuert haben.
Was mich dabei doch schockiert hat, ist der Fakt, dass wohl von Seiten Siemens Gamesa eine mangelnde Transparenz herrschte. Konkret soll „zu viel unter den Teppich gekehrt worden sein“, erklärt der Energy-CEO. Nun geht es darum zu identifizieren, wie viele dieser Fehler die Bestandsflotte betreffen sowie wann und wie die Anlagen repariert werden müssen. Denn bei der Bestandsflotte beträgt der Lebenszyklus der fehlerhaften Teile knapp 20 Jahre.
So reagieren die Analysten!
Abschließend blicken wir noch auf die Einschätzungen der führenden Analysten, welche die Siemens Energy-Aktie decken. Nach der Meldung heute haben sich bereits einige Häuser zu Wort gemeldet und die Einstufungen erneut bestätigt. Derzeit wird das Papier also von 17 Analystenhäuser gedeckt. Dabei sind 14 „Buy“-Ratings am Markt platziert. 2 weitere Analysten haben der Aktie ein „Hold“-Rating verpasst wodurch 1 „Sell“-Rating entsteht.
Das durchschnittliche Kursziel beläuft sich dabei auf 27,51 Euro pro Anteilschein. Verrechnen wir dies mit dem aktuellen Aktienkurs bei 15,80 Euro, so entsteht ein weiteres Aufwärtspotenzial in Höhe von 74,11 Prozent. Doch Vorsicht: Obwohl einige Analysten den eigenen Zielpreis erneut bestätigt haben, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass in den kommenden Tagen einige Kursziele nach unten angepasst werden.
Fazit des Tages!
Grundsätzlich operiert die Windkraftbranche meist mit hauchdünnen Gewinnmargen. Sollten dann unerwartete Probleme auftreten, so kann das ein Geschäft für mehrere Jahre belasten. Nun hat Siemens Energy bereits zum 2. Mal in diesem Jahr die Ergebnisprognose reduziert. Das wurde vor allem mit den Qualitätsproblemen bei bereits installierten Onshore-Windanlagen begründet. Auch der Hochlauf der Produktion läuft nicht wie geplant. Es wird berichtet über Verzögerungen bei Bau neuer Hallen, zu spät gelieferten Werkzeugen und Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden. Durch all diese Faktoren entsteht ein Gift-Cocktail!
Verstehen Sie mich nicht falsch: Grundsätzlich ist die Windenergie essenziell für einen Wandel hin zu nachhaltigem Klimaschutz. Auch das Geschäft ist durchaus aussichtsreich. Doch es wird allen Anschein nach noch einige Jahre dauern, bis die Probleme unter Kontrolle gebracht werden und weitere politische Förderungen vollzogen werden. Spekulanten können auf einen leichten Turnaround der Siemens Energy-Aktie wetten. Doch aktuell überwiegt definitiv das Risiko. Fundamental betrachtet ist ein Einstieg, gepaart mit den Unsicherheiten, nur schwer zu argumentieren.
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