Liebe Leserin, lieber Leser,
stellen Sie sich vor, Sie wären Entscheidungsträger bei einem Sportartikelhersteller, der das Image des weltoffenen und toleranten Konzerns vor sich herträgt. Welche Entscheidungen würden Sie treffen, wenn es um die Außenwirkung Ihrer Marken geht?
Erst Kanye West als Werbefigur mit eigener Untermarke
Da würden Sie doch auf jeden Fall als „Aushängeschild“ einen US-Rapper wählen, diesem eine eigene Sportschuh-Untermarke geben und dann erst nach einem Aufschrei der Öffentlichkeit merken, dass Sie sich einen Menschen mit – vorsichtig formuliert – rassistischen Tendenzen „eingekauft“ haben. Natürlich würden Sie, obwohl es viele warnende Stimmen gibt, Schuhe dieser Untermarke im Wert von 600 Millionen Euro vorproduzieren. Dann trennen Sie sich von dem Skandal-Rapper und können die Schuhe dann nicht mehr verkaufen. Im Ernst: Ich unterstelle Ihnen natürlich nicht, dass Sie eine solche Fehlentscheidung treffen würden. Brauchen Sie auch nicht, das hat Adidas schon für Sie erledigt.
Dann „Black Lives Matter“ verklagen
Als wenn dieses Desaster nicht schon schlimm genug wäre, kommen Sie dann auf die Idee, die Organisation „Black Lives Matter“ in den USA zu verklagen, weil diese im Logo auch drei gelbe Streifen wie Sie selber verwendet. Vergessen Sie bitte nicht, überrascht zu sein, dass gerade die schwarzen Bürger der USA das nicht besonders „toll“ finden und dann zum Boykott der Adidas-Produkte aufrufen. Dann rudern Sie natürlich zurück, aber der Image-Schaden ist eben da!
Jetzt aber zu den Zahlen!
Das Ganze ist umso ärgerlicher, weil die Gewinn-Situation bei Adidas nicht besonders gut ist. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2022 lag zwar noch bei recht hohen 38,17. 2024 wird es jedoch mit -47,6 voraussichtlich katastrophal schlecht ausfallen. Da spielt der „Kanye-West-Effekt“ mit herein. Für 2024 rechnen die Analysen allerdings wieder mit einem Gewinn, der das KGV wieder auf rund 30 steigen lassen wird.
Öffentlichkeitsarbeit: Das ist schon wichtig, liebe Adidas!
Das wichtigste Gut eines Sportartikelherstellers ist das Image. Passt das zur Zielgruppe, werden auch hohe Preise und damit eine solide Marge für das Unternehmen akzeptiert. Ich gebe es offen zu, dass mich die „Öffentlichkeitsarbeit“ von Adidas aktuell fast entsetzt. Ich ging, wie viele Analysten davon aus, dass das Unternehmen aus dem Debakel mit Kanye West gelernt hätte. Aber dieser Versuch, die „Black Lives Matter“-Bewegung wegen dreier gelber Streifen markenrechtlich zu belangen, war wirklich eine sehr negative Überraschung. Ich befürchte, dass das gerade in den USA zu einem geringeren Absatz führen wird. Zur Erinnerung: Es ist keine gute Idee, sich mit rund 14% der Bevölkerung zu verärgern. Denn so hoch ist der Anteil der dunkelhäutigen Menschen in den USA.
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