Die 7-Grad-Regel der Reifenindustrie: Eine Lüge?

Noch immer raten Experten, bei Temperaturen unter 7 Grad Celsius auf Winterreifen umzusteigen. Was ist dran an dieser Regel?

Auf einen Blick:
  • Bei Temperaturen unter 7 Grad sollte man im Herbst auf Winterreifen wechseln - sagt die Reifenindustrie.
  • Der ADAC bezweifelt diese Regel und wirft der Industrie Geschäftemacherei vor.
  • Einige bekannte Medien springen auf die Geschichte auf und sprechen unter anderem von der „7-Grad-Lüge“.
  • Was ist nun richtig?

Eine explizite Winterreifenpflicht gibt es in Deutschland bisher nicht. Als Autofahrer sind Sie lediglich verpflichtet, situativ auf die tatsächlichen Witterungsverhältnisse zu reagieren. In der Praxis heißt das: Bei Schnee und Eis darf man nicht mit Sommerreifen fahren. Wer dabei von der Polizei erwischt wird, muss derzeit mit einem Bußgeld von 60 Euro und einem Punkt in Flensburg rechnen. Haben Sie aus Sicht der Polizei den Verkehr behindert, erhöht sich das Bußgeld auf 80 Euro, bei Gefährdung des Straßenverkehrs auf 100 Euro. Außerdem kann es zu Problemen mit der Versicherung kommen, wenn Sie in einen Unfall verwickelt werden.

Veränderte klimatische Bedingungen

Doch seit Anfang der 1990er Jahre hat sich das Wetter in Deutschland verändert. Die Winter werden immer milder. In manchen Regionen bleibt jahrelang gar kein Schnee mehr liegen, andernorts sind die Schneeperioden deutlich kürzer geworden. Viele Autofahrer fragen sich: Wozu brauche ich dann noch einen zweiten Satz Reifen, der einige hundert Euro oder mehr kostet? Da lasse ich mein Auto an den wenigen „echten“ Wintertagen doch lieber stehen und fahre mit Bus und Bahn zur Arbeit. Am Ende habe ich auf jeden Fall eine Menge Geld gespart.

Die Reifenindustrie kann diese Denkweise natürlich nicht gutheißen. Denn in der Praxis bedeutet der zunehmende Verzicht auf Winterreifen für die Hersteller erhebliche Umsatzeinbußen. Betroffen sind auch die Werkstätten, die bisher mit Montage und Einlagerung gut verdient haben.

Die Branche hat deshalb die so genannte 7-Grad-Regel eingeführt. Sie besagt, dass Sommerreifen bei Temperaturen unter 7 Grad Celsius zunehmend an Haftung verlieren und einen längeren Bremsweg haben als Fahrzeuge mit Winterreifen. Doch stimmt das?

Zweifel an der 7-Grad-Regel

Der ADAC bezweifelte bereits 2005 die Gültigkeit dieser Regel. Ulrich Bruckmann (ADAC Frankfurt) formulierte es laut „Handelsblatt“ beispielsweise so: „Diese 7-Grad-Regel hat die Reifenindustrie erfunden, um mehr Produkte zu verkaufen“. Neben dem „Handelsblatt“ griffen damals auch einige andere namhafte Medien wie „Der Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ die Geschichte auf und stellten eigene Recherchen an. Im „Spiegel“ waren dann beispielsweise die reißerischen Schlagworte „die 7-Grad-Lüge“ und „eiskalter Schwindel“ zu lesen.

Fazit der Recherche: Richtig ist, dass Sommerreifen aufgrund der verwendeten Gummimischungen bei kälteren Temperaturen zunehmend aushärten und dadurch an Haftung verlieren. Dass die magische Grenze aber ausgerechnet bei 7 Grad Celsius liegt, dafür gab es keine plausiblen Hinweise. Und auch die von den Zeitungen damals angefragten Reifenhersteller konnten keine schlüssigen Testergebnisse liefern, die diese Regel belegen würden.

Im Gegenteil: Der ADAC führte eigene Tests durch. Dabei zeigte sich, dass Sommerreifen auf trockener Fahrbahn auch bei kälteren Temperaturen ein besseres Bremsverhalten aufweisen als Winterreifen. Lediglich bei Eis und Schnee sind Winterreifen ihren sommerlichen Pendants deutlich überlegen.

Konkretes Vorgehen für Verbraucher

Was bedeutet das für mich als Autofahrer? Wer täglich auf sein Fahrzeug angewiesen ist, sollte vorsorglich Winterreifen aufziehen. Denn auch in milderen Wintermonaten kann es grundsätzlich schneien. Der ADAC empfiehlt für diese Personengruppe beispielsweise den Zeitraum von Ende Oktober bis Ende März, um auf der sicheren Seite zu sein. Der konkrete Termin hängt natürlich in erster Linie von der mittelfristigen Wetterprognose für Ihre Region ab. Die Außentemperaturen spielen dabei keine wirklich entscheidende Rolle.

Und wenn Sie es sich leisten können, Ihr Auto bei schlechtem Wetter stehen zu lassen, können Sie auch ganzjährig mit Sommerreifen fahren und sich den Satz Winterreifen sparen.

Alternativ können Ganzjahresreifen oder M+S-Reifen verwendet werden, um den lästigen Reifenwechsel zu vermeiden. Allerdings müssen diese Reifen nach den aktuellen Vorschriften mit einem speziellen Symbol gekennzeichnet sein, um als gleichwertig mit Winterreifen anerkannt zu werden.

Es handelt sich um das so genannte 3PMSF-Zeichen – ein Berg mit einer stilisierten Schneeflocke. Das Symbol bedeutet, dass der Hersteller dieses Modell einem strengen Testverfahren unterzogen hat, das die grundsätzliche Eignung des Reifens für schneebedeckten Untergrund nachgewiesen hat.

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